Schweriner Klima in Not?

Darüber haben die Stadtvertreter nach langer Diskussion abgestimmt

Viele Schweriner demonstrierten vor dem Rathaus für das Ausrufen des Klimanotstandes
Viele Schweriner demonstrierten vor dem Rathaus für das Ausrufen des Klimanotstandes, Foto: maxpress

Schwerin • Über kaum einen Punkt wurde auf der vergangenen Stadtvertretersitzung so lange und laut diskutiert, wie die Entscheidung, ob die Landeshauptstadt den sogenannten Klimanotstand ausruft.

Jubel auf den Zuschauerplätzen, Beifall von den Klimaaktivisten, die eben noch vor dem Rathaus protestiert und anschließend im Demmlersaal die Diskussion der Stadtvertreter über das Thema verfolgt hatten. Mit 22 zu 19 Stimmen wurde für den Klima-Notstands-Antrag der Fraktion B90/DIE GRÜNEN, Die Partei.DIE LINKE und der SPD-Fraktion abgestimmt.
Damit setzt die Landeshauptstadt ein Zeichen, die bisherige Klimapolitik weiter zu entwickeln. Das bisherige Ziel, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden, hat die Stadt jetzt auf 2035 vorverlegt. Das bedeutet außerdem, dass Schwerin noch in diesem Jahr ein Energiekonzept vorlegen muss, das aussagt, wie die Stadt ihre Energie nur aus erneuerbaren Quellen erzeugen will. Ob die Ziele aus dem Klimanotstands-Beschluss erfüllt werden, soll regelmäßig durch die Stadtvertretung kontrolliert werden. Da hapert es bislang in anderen Städten, die den Klimanotstand bereits anerkennen. Zum Beispiel in Ludwigslust – einem der ersten Orte in MV, die den Klimanotstand ausgerufen hatten – feilt die Verwaltung noch am überfälligen Klima- und Umweltschutzbericht. Was tut Schwerin? Der Beschluss über den Klimanotstand ist zumindest ein öffentliches Bekenntnis der Stadt. Das muss nun mit nachvollziehbaren Maßnahmen gefüllt werden.

maxpress/Steffen Holz

Frage an die Fraktionsvorsitzenden:
Welche Schritte muss Schwerin aufgrund des ausgerufenen Klimanotstandes gehen?

Gert Rudolf, Fraktionsvorsitzender CDU/FDP
Gert Rudolf, Fraktionsvorsitzender CDU/FDP:

Schwerin wirbt international mit seinen Seen und Wäldern, der sauberen Luft und der schönen Natur. Den Klimanotstand hier auszurufen ist ein fatales und unnötiges Signal. Es stößt bei sehr vielen Menschen unserer Stadt auf Unverständnis. Der OB setzt den Beschluss jetzt um oder könnte ihm widersprechen, wie er es in anderen Fällen ja tat. Bei allen Entscheidungen werden wir darauf achten, dass die Schweriner keine finanziellen Lasten daraus tragen. Unsere Fraktion wird auch künftig alle sinnvollen Maßnahmen für den Klimaschutz unterstützen, zum Beispiel ein starker Nahverkehr und ein gutes Radwegenetz.

Gerd Böttger, Fraktionsvorsitzender Die PARTEI.DIE LINKE
Gerd Böttger, Fraktionsvorsitzender Die PARTEI.DIE LINKE:

Der Begriff „Klimanotstand” ist eine bewusste Zuspitzung, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Stadt Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen muss. Bis Ende 2020 soll ein Klimakonzept erarbeitet werden, auf dessen Grundlage Schwerins Energieversorgung bis 2035 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien sichergestellt werden wird. Die Stadtwerke sind mit Geothermie, Solarpark, Bio-Energie und Fernwärme auf einem guten Weg. Für uns ist besonders wichtig, den ÖPNV so zu stärken, dass er eine wirkliche Alternative zum Autoverkehr wird. Preiserhöhungen sind deshalb in Zukunft zu vermeiden.

Christian Masch, Fraktionsvorsitzender SPD
Christian Masch, Fraktionsvorsitzender SPD:

Klimaschutz ist eine dringende gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Alle werden betroffen sein und dazu beitragen müssen – auch Schwerin. Die Stadtvertretung hat jüngst einen Beschluss gefasst. Im Wesentlichen geht es darum, das bereits im Jahr 2013 beschlossene Klimaschutzkonzept umzusetzen und weiterzuentwickeln. Es enthält viele sinnvolle Einzelmaßnahmen. Ziel ist es, dass Schwerin bis zum Jahr 2035 CO2-neutral ist. Das muss aber auch sozial gerecht erfolgen. Es geht unter anderem um die Stärkung des ÖPNV, um mehr erneuerbare Energien und nicht zuletzt um energetische Gebäudesanierungen.

Dr. Hagen Brauer, Fraktionsvorsitzender AfD
Dr. Hagen Brauer, Fraktionsvorsitzender AfD:

Schwerin – eine Stadt bester Luft- und Wasserqualität, 40 Meter über dem Meeresspiegel liegend – erklärt den Klimanotstand!?
Während diese Panikmache rein gar nichts bewirkt, bringen wir sinnvoll-konkrete Vorschläge ein, um die Folgen einer natürlichen Klimaerwärmung abzufedern.
In der gleichen Stadtvertretungssitzung, wo der Notstand herbeigeredet wurde, haben wir die Schaffung einer Freiflächengestaltungssatzung gefordert, die der Zubetonierung Schwerins Einhalt gebietet. Zum anderen wollen wir die Begrünung der Lübecker Straße als eine der wichtigsten Einfallsstraßen voran treiben.

Silvio Horn, Fraktionsvorsitzender Unabhängige Bürger
Silvio Horn, Fraktionsvorsitzender Unabhängige Bürger:

Die Ausrufung des Klimanotstandes war ein symbol-politischer Akt und unseres Erachtens nach unnötig. Nichtsdestotrotz plädieren auch wir für deutlich mehr Bemühungen um Klimaschutz, allerdings mit Augenmaß und ohne ständige Verbote oder gar finanzielle Belastungen der Bürger. Natur- und Umweltschutz finden nach unserer Auffassung in der Schweriner Stadtverwaltung bislang nicht die erforderliche Berücksichtigung. Diese Belange sind oft sogar nachrangig gegenüber Wirtschafts- oder Bauinteressen. Das muss sich ändern! Wir brauchen dafür andere Verwaltungsstrukturen und neue Verantwortlichkeiten.

Arndt Müller, Stadtvertreter Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Arndt Müller, Stadtvertreter Bündnis 90/DIE GRÜNEN:

Jetzt sollten wir alle mit ganzer Kraft das städtische Klimaschutzkonzept umsetzen. Tempo-30-Zonen, klimafreundlicher Strom, Nutzung von Recyclingpapier, mehr Platz für das Rad – gute Ideen liegen zahlreich auf dem Tisch. Doch werden sie in Schwerin zu oft im parteipolitischen Kleinklein zerrieben. So sollte beispielsweise die CDU/FDP-Fraktion ihre Blockade beim Radstreifen in der Lübecker Straße aufgeben. Schon lange fordern wir dort einen sicheren Radweg – vor allem für unsere Schulkinder. Steuerungsmöglichkeiten hat die Stadt viele. Die Baupläne müssen in Schwerin endlich klimagerecht realisiert werden.