Benimm ist immer noch in

Gute Umgangsformen sind nach wie vor wertvoll und sollten nicht vernachlässigt werden

Eineinhalb Meter Abstand, Mundschutz, die erhobene Hand statt der Händedruck zum Gruß – so sieht Höflichkeit seit Mitte März aus
Höflichkeit ist für Kellner Meiko Studzinsksi (r.) eine Frage des Gastgebertums – er lächelt auch mit Maske, Fotos: maxpress, Schlossverein

Schwerin • Eineinhalb Meter Abstand, Mundschutz, die erhobene Hand statt der Händedruck zum Gruß – so sieht Höflichkeit seit Mitte März aus. Umgangsformen haben sich in den vergangenen Monaten verändert. Doch auch schon zuvor fragten sich manche, was sich in der einen oder anderen Situation gehört – und was nicht.

„Gute Tischmanieren kommen nie aus der Mode“, erzählt Regina Wächter. Die ehemalige Lehrerin für Deutsch, Mathe und Sport gibt Knigge-Kurse für Kinder und Jugendliche sowie Bewerbungstraining für Erwachsene. „Bei Tisch und im Gespräch gelten noch dieselben Regeln wie früher.“ So geht jeder auf Nummer sicher, der von sich aus grüßt, wenn er einen Raum betritt, der bei Tisch mit dem Essen wartet, bis alle etwas haben und wer unter Normalbedingungen mindestens eine Armlänge und derzeit eben noch mehr Abstand zum Gesprächspartner einhält.

„Was durch Corona geschehen ist, ist zweischneidig“, erläutert Regina Wächter. „Wer sich ohnehin nicht gut benehmen kann, fällt als Individuum derzeit schneller auf. Gleichzeitig übt die Masse deutlich mehr Rücksichtnahme – eine Basiseigenschaft für Höflichkeit.“ Die 71-Jährige ist locker und doch hin und wieder geschockt über manches Benehmen. „Kürzlich hat mich im Supermarkt ein junger Mann mit seinem Einkaufswagen gerammt. Keine Entschuldigung, nichts. Jüngere wachsen mit einem anderen Verständnis für Respekt auf als noch meine Generation.“

Das spüren auch andere Schweriner im Alltag. Donald Wieck ist seit 37 Jahren Gastronom. Er betreibt das Bolero sowie einen Limousinenservice für Hochzeiten. „Höflichkeit am Gast ist eigentlich einfach“, sagt er. „Jedem Mitarbeiter sage ich: Stellt euch vor, ihr feiert Geburtstag. Ihr begrüßt jeden einzeln und sagt, was ihr zu Essen und welche Getränke ihr anbietet.“ Nicht immer lebten Mitarbeiter heute von sich aus diesen Service. „Der Umgang mit solchen Fällen hat sich verändert. Früher wurde schneller gekündigt. Heute sind Kommunikation und Unterstützung wichtiger. Ich motiviere gerne“, so Donald Wieck. Die Schweriner Gäste nimmt er überwiegend höflich wahr, die Älteren noch eher als die Jungen. Wer da mit „Ey“ oder „Meister“ seine Bestellung einleitet, der bekommt auch mal einen Spruch, wenn die Situation es erlaubt. „Wo Alkohol im Spiel ist, ist es nicht immer ratsam, auf Höflichkeit zu pochen“, so der Gastronom. Er ist überzeugt davon, dass Service und Gastgebertum mit Spaß zu tun haben.

So denkt auch NVS-Busfahrer Eckhard Kähler. Er empfindet die Generationen als gleich höflich in der Landeshauptstadt. „Grummelige gibt es jeden Alters“, sagt der 62-Jährige. „Aber rund 80 Prozent der Fahrgäste sind freundlich und zugänglich. Es ist außerdem eine Sache der Gegenseitigkeit. Bin ich nett, sind die meisten Fahrgäste es auch – ganz einfach.“

Janine Pleger


Regina Wächter, Knigge-Expertin

Heutzutage ist vieles lockerer als früher. Das führt manchmal zu Respektlosigkeit. Die Grenzen – zwischen dem, was sich gehört und was gar nicht geht – verschwimmen nun mal. Schwerin und seine Menschen nehme ich nichtsdestotrotz als überwiegend höflich wahr. Gerade, weil wir Touristenstadt sind, achten wir sicher auf Service und gute Umgangsformen.

Eckhard Kähler, Busfahrer

Höflichkeit heißt von meiner Seite aus mitzudenken. Ich berate also bei Tickets oder klappe die Rampe zum Einstieg aus, bevor mich jemand darum bitten muss. Höfliche Fahrgäste wiederum grüßen oder zeigen ihre Fahrkarte bei mir mit einem Lächeln, statt widerwillig vor. Was gar nicht geht, ist Essen oder Trinken in Bus und Bahn. Das Geklecker ist einfach nachlässig gegenüber anderen.

Donald Wieck, Gastronom

Wahre Höflichkeit zeigt sich besonders, wenn es um Kritik geht. Jeder Gast hat das Recht zu sagen, wenn etwas nicht in Ordnung ist – nur so können wir es besser machen. Für jeden Hinweis im Internet oder persönlich bedanke ich mich also und reagiere darauf. Das „Wie“ der Kritik ist allerdings entscheidend. Unter der Gürtellinie gibt es im Netz öfter – die Anonymität beflügelt einfach Beleidigungen.