Hochschulstandort Schwerin entwickeln

Die Zahl der Studierenden an Hochschulen geht landesweit zurück

Dr. Dorothee Wetzig, Projektleiterin Hochschul- und Wissenschaftsstandort bei der IHK zu Schwerin
Dr. Dorothee Wetzig, Projektleiterin Hochschul- und Wissenschaftsstandort bei der IHK zu Schwerin, Foto: maxpress

Schwerin • Offiziell ist Schwerin noch kein Hochschulstandort des Landes Mecklenburg- Vorpommern, da die strategische Ausrichtung dies nicht vorsieht. Deshalb kämpfen Vereine, Organisationen und Lokalpolitiker für die Ansiedlung einer staatlichen Hochschule sowie die Errichtung und Entwicklung von privaten Hochschulen. hauspost sprach mit Dr. Dorothee Wetzig, Projektleiterin Hochschul- und Wissenschaftsstandort bei der IHK zu Schwerin und Dr. Joachim Wegrad, Vorsitzender des Hochschulfördervereins in Schwerin.

hauspost: Können wir mit einem attraktiven Hochschulangebot mehr junge Menschen im Land halten?
Dorothee Wetzig: Ja, davon bin ich überzeugt, aber das Gesamtpaket muss stimmen. Von den Hochschulzugangsberechtigten in MV (Statistik 2020/21- Anm. der Red.) wählten immerhin 54,3 Prozent eine Hochschule im eigenen Bundesland. 6,3 Prozent entschieden sich für Berlin, 6 Prozent für Sachsen und 5,5 Prozent für Hamburg. Das zeigt deutlich die Attraktivität der regionalen Nähe und das Interesse an attraktiven Studienplätzen im eigenen Land.

hauspost: Warum sollte es in Schwerin ein staatliches Studienangebot geben?
Dorothee Wetzig: Viele junge Menschen verlassen die Region, weil sie hier nicht das richtige Bildungsangebot finden. Darunter leidet auch die Standortattraktivität der Landeshauptstadt. Unternehmen brauchen junge Mitarbeiter als Nachwuchskräfte. Das ist bei Unternehmenserweiterungen und Neuansiedlungen ein wichtiges Thema. Gleichzeitig drängen viele junge Menschen aus den Metropolen Hamburg und Berlin an die deutschen Hochschulen. In M-V finden sie heimatnah günstigen Wohnraum und eine hohe Lebensqualität. Wenn wir in Schwerin zum Beispiel technische Studiengänge, die eine Ergänzung zu dem aktuellen Studienangebot darstellen, in modernem Format anbieten würden, könnten wir so für MV neue Zielgruppen erschließen.

hauspost: Haben Berufsakademien bereits Interesse, sich in Schwerin anzusiedeln?
Joachim Wegrad: Wenn das entsprechende Berufsakademiegesetz endlich mal da wäre, könnten wir in Schwerin eine Ansiedlung realisieren. Das ist schon sehr konkret. Aber ich möchte nochmal auf die strategische Ausrichtung zurückkommen. Schwerin ist ein weißer Fleck auf der Hochschullandkarte. Wir haben hier gute private Hochschulen und könnten in Kooperation mit der Hochschule in Wismar einen Außenstandort nach Schwerin bringen. Dabei geht es nicht darum, anderen Standorten etwas wegzunehmen. Eine Fakultät für Verwaltungsund Organisationswissenschaften wäre beispielsweise eine Bereicherung für unser Land und auch zur Fachkräftegewinnung. Diese Fakultät wird auch Ansiedlungen von Unternehmen unterstützen. Also sollte die Landesregierung endlich anfangen, eine Infrastruktur dafür zu schaffen und Entscheidungen treffen.

hauspost: Steht Schwerin wirklich schon geschlossen dahinter?
Joachim Wegrad: Im Prinzip schon, aber noch nicht intensiv genug. Vereine, Verbände, Organisationen und politische Gremien haben sich in einer Hochschulinitiative klar geäußert. Auch die Wirtschaft steht dahinter. Einige politische Vertreter fordern sehr laut die Ansiedlung für Schwerin. Mir fehlt aber ein klares Bekenntnis vom derzeitigen Oberbürgermeister, der sich gern an die Spitze dieser Hochschulinitiative für seine Stadt stellen darf. Schwerin braucht eine Willkommenskultur für Studierende, einen Raum für Begegnungen, wo sich gemeinsam ein Studentenleben entwickeln kann. Bereits 2021 gab es dazu einen bis heute nicht umgesetzten Stadtvertreterbeschluss. Das Diskutieren in Widerständen muss einfach aufhören.

hauspost: Wo sehen Sie Schwerin als Hochschulstandort in sechs Jahren?
Dorothee Wetzig: Wir werden dafür kämpfen, dass die Kooperation mit der Hochschule Wismar dann bereits realisiert sein wird und wir attraktive Studienplätze für junge Menschen zusätzlich auch in Schwerin haben. Das betrifft private Hochschulen genauso wie auch die Ansiedlung von Berufsakademien. Ich sehe Schwerin und Wismar aber auch in der Metropolregion Hamburg als einen der fünf Standorte für einen Innovations- und Wissenschaftspark, der sich vornehmlich mit Grüner Energie und Wasserstoff beschäftigt.

Joachim Wegrad: Diese Vision kann ich nur unterstreichen. Ich stelle mir aber früher als in sechs Jahren viele Studierende in den Cafés der Stadt vor, sowie in jungen Unternehmen, die sich mit neuen technologischen Ideen bei uns ansiedeln. Ich sehe auch die Begeisterung in den politischen Gremien, die sich bestätigt fühlen, 2024 die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt zu haben. Dann haben wir das Ziel „Studieren mit Mehrwert“ für Schwerin erreicht.

„Ich sehe Schwerin und Wismar aber auch in der Metropolregion Hamburg als einen der fünf Standorte für einen Innovations- und Wissenschaftspark, der sich vornehmlich mit Grüner Energie und Wasserstoff beschäftigt.” • Dr. Dorothee Wetzig, Projektleiterin Hochschul- und Wissenschaftsstandort bei der IHK zu Schwerin

„Schwerin braucht eine Willkommenskultur für Studierende, einen Raum für Begegnungen, wo sich gemeinsam ein Studentenleben entwickeln kann. Das Diskutieren in Widerständen muss endlich aufhören.” • Dr. Joachim Wegrad, Vorsitzender des Hochschulfördervereins in Schwerin

Statement von Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier:
„Die Landeshauptstadt arbeitet weiter daran, private Hochschulstudiengänge nach Schwerin zu holen. Mit der Ansiedlung der Medical School Hamburg an den Helioskliniken Schwerin als Lehrkrankenhaus absolvieren bereits mehrere Hundert Medizinstudentinnen und -studenten bei uns einen wichtigen Teil ihres Studiums. Eine staatliche Hochschule in der Landeshauptstadt anzusiedeln, das war und ist eine Entscheidung des Landes. Die wünschen wir uns, können sie aber nicht erzwingen. Wichtiger für die wirtschaftliche Entwicklung Schwerins und der gesamten Region sind attraktive Berufsschulen, damit die Jugend nicht abwandert und Firmen hier vor Ort die Fachkräfte von Morgen ausbilden können. Nach der Berufsschule Technik in Lankow werden wir hier mit der Berufsschule für Gesundheit und Soziales im Stadtteil Neu Zippendorf für einen weiteren Meilenstein sorgen.“

maxpress/Holger Herrmann