Zwanzig Jahre Frauen in Not
Liane Dommer wünscht sich noch mehr Unterstützung
Schwerin • Am 9. Juni wird das Frauenhaus Schwerin in heutiger Trägerschaft der AWO zwanzig Jahre alt – ein guter Zeitpunkt für Leiterin Liane Dommer (Foto), um über bisherige und zukünftige Entwicklungen nachzudenken. Mit der hauspost sprach sie darüber, was sie bewegt und, was sie sich für die Zukunft wünscht.
hauspost: Wie viele Beratungsgespräche wurden im Frauenhaus schon geführt?
Liane Dommer: Seit 1997 erhielten bis zum heutigen Zeitpunkt 1.576 von häuslicher Gewalt betroffene Frauen (890) und deren Kinder (686) Schutz und Unterstützung in unserer Einrichtung. Zusätzlich wurden im weiteren Angebot der ambulanten Beratung 4.680 Beratungsgespräche geführt.
hauspost: Bewegen Sie solche Zahlen?
Liane Dommer: Es ist traurig, dass so ein großer Bedarf da ist. Aber es ist auch gut, dass dieses Angebot existiert und immer mehr Frauen sich Unterstützung und Hilfe suchen. Um sich aus dem Gewaltkreislauf zu lösen, ist das für die Betroffenen sehr wichtig und sollte auch in Zukunft genutzt werden, denn dafür sind wir da.
hauspost: Was ist das Besondere am Frauenhaus?
Liane Dommer: Es ist eine anonyme Zufluchtstätte für von häuslicher Gewalt bedrohte Frauen und deren Kinder. Finanzielle Situationen, Nationalitäten, Religionen und Aufenthaltsstatus der Betroffenen spielen keine Rolle. Zu mir und meiner Kollegin kommen Frauen, wenn sie Schutz und Beratung bei häuslicher Gewalt suchen. Unser Angebot besteht auch nach dem Auszug aus dem Frauenhaus. Auch Betroffene, die nicht oder noch nicht in ein Frauenhaus einziehen wollen, erhalten in der ambulanten Beratung alle notwendigen Informationen, um sich schützen zu können.
hauspost: Die Kinder der bedrohten Frauen finden also auch Platz bei Ihnen?
Liane Dommer: Jungen und Mädchen bis 18 Jahren, ja. Dabei ist es unwichtig, ob sie selbst häusliche Gewalt erfahren oder „nur“ die Gewalt an der Mutter miterleben mussten. Auch sie brauchen in dieser Situation Schutz und Ruhe. Einige ziehen mit ihren Müttern für eine bestimmte Zeit ein. Insgesamt haben wir dafür zwölf Plätze zur Verfügung. Manche Frauen bleiben für einige Tage, andere für mehrere Monate. Sie leben hier wie in einer Wohngemeinschaft alle zusammen und eigenständig.
hauspost: Sie sprachen davon, dass die Betroffenen im Frauenhaus Beratung und Schutz bekommen. Wie sieht das genau aus?
Liane Dommer: Die Frauen und Kinder können in unserem Haus zunächst zur Ruhe kommen. Wir bieten ihnen an, gemeinsam Lösungen zu finden. Wie die einzelnen Schritte dabei aussehen und welche davon die Frau selbst mitgehen möchte, ist von Fall zu Fall unterschiedlich, unsere Beratung erfolgt immer ergebnisoffen. Das Ziel ist natürlich immer, das Selbstvertrauen der Frauen zurückzugewinnen und auch den Kindern Stabilität und Kraft mitzugeben. Nur so haben sie die Möglichkeit, ihr Leben neu zu gestalten – frei von Ängsten.
hauspost: An welchen Lösungen arbeiten sie mit den Frauen zusammen?
Liane Dommer: Am wichtigsten ist es, erst einmal den Schutz zu gewährleisten, manchmal erstellen wir auch gemeinsam Schutz- bzw. Krisenpläne. Es ist notwendig, die finanzielle Lage zu klären, um den Lebensunterhalt der Frauen und Kinder zu sichern. Zur Umsetzung von Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz geben wir Unterstützung bei der Suche nach einer Rechtsanwältin oder vermitteln an andere Fachbereiche weiter.
Bei Bedarf suchen wir gemeinsam eine neue Wohnung und helfen bei der Beschaffung neuer Möbel. Wir unterstützen in allen Lebensbereichen für einen Neuanfang ohne Gewalt.
hauspost: Was wünschen Sie sich noch für die Zukunft?
Liane Dommer: Wir planen bereits ein barrierereduziertes Frauenhaus – darauf bin ich sehr gespannt. Eine dritte Mitarbeiterin, nur für die Kinder, wäre toll.
Juliane Brettmann