Wo Mütter selbst Kinder sind

In der Wohngruppe der AWO werden minderjährige Frauen auf das Leben mit ihrem Baby vorbereitet

Von Zeit zu Zeit übernehmen die Pädagoginnen die Betreuung der Kinder der jugendlichen Mütter, so dass Mama mal in Ruhe duschen, telefonieren oder auch mal allein spazieren gehen kann
Von Zeit zu Zeit übernehmen die Pädagoginnen die Betreuung der Kinder der jugendlichen Mütter, so dass Mama mal in Ruhe duschen, telefonieren oder auch mal allein spazieren gehen kann, Foto: maxpress

Görries • Sie sind 14 oder 15 Jahre jung, hören Hip-Hop, sind unternehmungslustig, haben ihre Freunde und genießen ihr Leben. Wenn die Kinder in dem Alter plötzlich schwanger werden, kann es zur schweren Krise in der Familie kommen. Hier ist die „Junge Mütter WG” in Görries eine wichtige Hilfe.

Ina Strohschein ist die Leiterin der Wohngemeinschaft. Sie kümmert sich hier mit sieben pädagogischen Mitarbeiterinnen um junge Frauen, die minderjährig, schwanger oder auch schon Mutter sind. Für sie sind die Betreuerinnen rund um die Uhr im Schichtsystem da. Vier Zimmer gibt es für die Teenies – eins zusätzlich zum Übernachten für die Pädagoginnen und gemütliche Gemeinschaftsräume. Eine kleine Einrichtung mit familiärem Charakter, die auch das bieten will, was viele der jungen Bewohnerinnen vermissen oder nie hatten – ein Stück intakte Familie. Oft lebten sie vorher in schwierigen Familienverhältnissen oder in einem Heim. In der WG wird ihnen viel von den Alltagssorgen abgenommen. Die pädagogischen Mitarbeiterinnen sind übergangsweise so etwas wie die Ersatzfamilie. Die Frauen kümmern sich anfangs um fast alles. Sie kaufen ein, waschen die Wäsche, putzen und sind für die jungen Bewohnerinnen da. Sie hören zu oder geben Ratschläge – ohne ihnen den erhobenen Zeigefinger zu zeigen. Steht die Geburt des Kindes an, bieten die Betreuerinnen an, die jungen Mütter auch im Kreissaal zu begleiten. „Die Frauen sind da zwar gut aufgehoben, aber sie sind dann dort nicht allein”, sagt WG-Chefin Ina Strohschein. Je länger die Jugendlichen in der Einrichtung wohnen, umso mehr können sie die alltäglichen Aufgaben und die Verantwortung hierfür übernehmen. Das entscheidende Ziel der intensiven Betreuung ist die Unterstützung beim Aufbau einer nachhaltigen Mutter-Kind-Bindung. Diese soll gefestigt werden und die Mütter stark machen. Somit können sie zum Beispiel in einer neuen Betreuungsform, in der deutlich mehr Selbstständigkeit notwendig ist, besser bestehen. Die Herausforderung, so jung eine richtig gute Mutter zu sein, ist enorm.
Bei so viel Nähe im Alltag der WG spüren die Mitarbeiterinnen auch, wann die Mütter mal eine Auszeit und ein paar Stunden für sich selbst benötigen. Dann übernehmen die Pädagoginnen die Betreuung der Kinder der jugendlichen Mütter, so dass Mama mal in Ruhe duschen, telefonieren oder auch mal allein spazieren gehen kann.
Anhand von pädagogischen Hilfeplänen, die konkrete Ziele der Unterstützung festlegen, wird gemeinsam  gearbeitet. Somit wissen alle Beteiligten jeweils aktuell um die Schwerpunktsetzung. Seit der Gründung im Jahr 2017 hat die Einrichtung elf junge Frauen von der Schwangerschaft über die Geburt des Kindes ins weitere Leben begleitet.

Steffen Holz