Wie laut ist Schwerin wirklich?

Lärmaktionsplanung zeigt Mängel im Straßenverkehr auf

Schwerin •  „Viele denken, ich höre etwas – also ist es zu laut. In den meisten Fällen stimmt das aber gar nicht”, erklärt Umweltingenieur Daniel Meyer-Kohlstock (Foto oben) vom Fachdienst Umwelt der Stadt Schwerin. Störender Lärm sei zu einem Großteil eigenes Empfinden, das auf etwas anderes zurückzuführen sei.

Eine alte, unbegrünte Straße wirkt lauter, weil sie als hässlich empfunden wird und Nachbarn sollen meist leiser sein, wenn sie sich ohnehin nicht leiden können. Dass es dann meist viel einfacher für alle Beteiligten ist, zu klingeln und denjenigen zu bitten, das Springseilspringen vielleicht doch nach draußen zu verlegen, spüren die Mitarbeiter des Ordnungsamtes und der Polizei gleichermaßen. Oft fehlt einfach das Verständnis füreinander. „Weniger als 100 Beschwerden gehen im Jahr beim Ordnungsamt oder dem Fachdienst Umwelt ein”, weiß Daniel Meyer-Kohlstock. Meist geht es bei diesen dann um Geräusche von Luft-Wasser-Wärmepumpen an Einfamilienhäusern. Auch Baulärm in der näheren Umgebung störe einige so enorm, dass sie sich in ihrem Alltag eingeschränkt fühlen. „Der Betrieb von vielen Maschinen zwischen sieben und
20 Uhr werktags ist allerdings erlaubt, schließlich müssen die Arbeiten ja auch irgendwie fertiggestellt werden können.”

Auf Beschwerden wird reagiert

Jeder Verdacht auf einen Lärmverstoß wird geprüft. Die derzeit vier Mitarbeiter der Fachgruppe Immissionsschutz und Umweltplanung gehen dann direkt mit einem Schallpegelmesser los und messen, ob die Arbeiten tatsächlich die gesetzlich vorgegebenen Dezibel überschreiten. „In einigen Fällen ist dies auch so“, weiß der Fachgruppenleiter. „Andererseits lässt sich Lärm zu Ruhestunden nicht immer vermeiden. Ein Beispiel sind nächtliche Arbeiten an Straßenbahngleisen, um den Nahverkehr nur so kurz wie nötig zu unterbrechen. Allerdings sollten alle Bewohner mehr Rücksicht aufeinander nehmen und nicht unbedingt nach 22 Uhr den Rasen mähen, was sowieso verboten ist.” Nachts hat auch die Schweriner Polizei von Montag bis Sonntag damit zu tun, gemeldeten Partylärm zu unterbinden. „Wir sind dann natürlich immer die Spielverderber. Je nachdem, wie kooperativ sich die Partygäste uns gegenüber verhalten, so treten wir auch auf”, erklärt Polizeisprecher Steffen Salow. Ob es zu einer Anzeige kommt, die Beschallungstechnik beschlagnahmt wird oder die Party einfach  leiser weitergehen darf, entscheidet sich nach der Einsicht der Feiernden.
Oft wird sich auch über das Werfen von Feuerwerkskörpern beschwert. „Ich wünsche mir einfach mehr Toleranz auf beiden Seiten. Dass man  anderen mal gönnt, zu feiern und wiederum seinen Nachbarn ihre Ruhe. Früher ging das ja schließlich auch”, so Steffen Salow.

Alle fünf Jahre wird bundesweit eine Lärmaktionsplanung (LAP) zur Reduzierung der Lärmbelastung von den Städten durchgeführt. Hierfür werden Karten erstellt, die genau aufzeigen, wie laut welche Straße ist. Die Statistiken basieren auf Berechnungen mit Anzahl von Fahrzeugen, Topografie und Qualität von Straßenbelägen. Es wird analysiert und ausgewertet. Nur so können Maßnahmen erstellt werden, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollten, um die Lage zu verbessern. Je nach Gebietsart gelten unterschiedliche Pegel. Im Industriegebiet gibt es deshalb andere Vorgaben als im Stadtteil Großer Dreesch. „Einer der wichtigsten Punkte in der Lärmaktionsplanung von 2013 war die Sanierung der Wittenburger Straße. Der Asphalt musste hier dringend erneuert werden”, sagt Daniel Meyer-Kohlstock. Dasselbe galt für die Ecke Knaudtstraße – Obotritenring. Damals hieß es: „Die höchsten Verkehrsbelastungen treten auf der südlichen und westlichen Ortsumfahrung, den in die Innenstadt führenden Abschnitten der B 321 sowie An der Crivitzer Chaussee und der Ludwigsluster Chaussee auf. Der innerstädtische Ring mit Obotritenring, Ostorfer Ufer, Platz der Jugend und Graf-Schack-Allee weist ebenfalls größere Verkehrsmengen auf.” Konkret sollte wie folgt vorgegangen werden: Geschwindigkeitsreduzierung am Obotritenring, Grüne Welle in der Gadebuscher Straße, Fahrbahnsanierung in der Wittenburger Straße und kleinräumige Maßnahmenkonzepte in der Robert-Beltz-Straße und der Alexandrinenstraße.

Manchmal verschieben große Änderungen der Verkehrsregeln das Problem nur eine Straße weiter. Werden beispielsweise Einschränkungen auf größeren Straßen eingeführt, wird der Lärm hier zwar geringer, allerdings weichen viele Autofahrer dann auf die anliegenden kleinen Straßen aus und belasten diese. „Da ist es schon wichtig, zu schauen, was jetzt sinnvoller wäre. An Umgehungsstraßen wohnen ja selten Menschen, deshalb kann man so eine Straße im Einzelfall auch mal so laut lassen, wie sie ist.” Eine Einführung der 30er-Zone in der Robert-Beltz-Straße mache da schon mehr Sinn. Der neue Fahrradschutzstreifen soll im Optimalfall dafür sorgen, dass mehr PKW-Fahrer aufs Rad umsteigen. Darüber hinaus dient eine grüne Welle dazu, dass die Autofahrer nicht immer wieder anfahren und bremsen müssen.
Am 18. Juli 2018 wird die aktuelle LAP fertig sein. Darin wird es hauptsächlich um die Bundes- und Landstraßen in Schwerin gehen. Außerdem wird geprüft, was von der letzten LAP umgesetzt wurde. Auch eine Bürgerbeteiligung mit zwei Veranstaltungen wird es dazu geben, damit sich jeder Schweriner einbringen kann.

jb

Fotos: maxpress/Rainer Cordes