WGS: Nichts ist in Stein gemeißelt
Informationen zum „Mann aus Beton“ sind widersprüchlich und seine Identität bleibt noch ungeklärt
Schwerin • Rund 40 Jahre ist es her, dass die Bauarbeiter-Statue auf dem Dreesch aufgestellt worden ist. Plötzlich kam sie weg. Vandalismusschäden sollen der Grund dafür gewesen sein. Die WGS plant, sie neu interpretiert wieder aufzustellen. Vorher will sie mehr zur Geschichte des Mannes und des Bildhauers wissen. In der hauspost-Ausgabe von Oktober fragte die Wohnungsgesellschaft deshalb: „Wer kennt diesen Mann aus Beton?“ Die Antworten darauf waren zahlreich und widersprüchlich.
Ob das Modell der Statue hätte erahnen können, für welche Furore es im neuen Jahrtausend sorgen würde? Wahrscheinlich nicht. Zahlreiche Mails und Briefe erreichten die hauspost-Redaktion in den vergangenen Wochen. Darin: Infos, die sich als Fakten bewahrheitet haben, und schöne Geschichten, die vielleicht nicht real sind.
Zuerst schien die Sache eindeutig: Karin Weinreich meldete sich via Facebook und erkannte ihren ehemaligen Verlobten Norbert in der Statue wieder. Oft hätten sie gemeinsam im Bauarbeiter-Café gesessen und er habe die Statue stolz präsentiert. Lediglich an die Schreibweise seines Nachnamens erinnert sie sich nicht genau. „Heinat“, schrieb sie, aber auch „Heinert“ sei möglich. Claus Eggers ergänzte diese Spur. Er sei mit „Norbert Heinert“ zur Schule gegangen, habe gemeinsam die Lehre gemacht und später in derselben Brigade am Bau des Lederwarenwerks in Schwerin Süd gearbeitet. Zur Entstehung der Statue sagte er: „Damals wurde vor der ehemaligen Poliklinik ein Monument errichtet. Das brachte die Brigade auf die Idee, beim selben Künstler eine weitere Statue zu beauftragen.“ Da Norbert Heinert durch einen Arbeitsunfall gerade nicht einsetzbar gewesen sei, habe er Modell gestanden. Der Künstler soll die Form erstellt, die Kollegen den Mann dann selbst in Beton gegossen haben.
Künstlername geklärt
„Eine schöne, nostalgische Geschichte“, sagt dazu Gästeführer Helmut Völtz „Es wäre toll, wenn es wirklich so gewesen wäre!“ Er zweifelt allerdings grundsätzlich daran, dass ein Künstler sein Werk aus den Händen gibt. Keinen Zweifel lässt er am Namen des Bildhauers: Helmut Hartung aus Dresden. Das bestätigen weitere Zuschriften und die Broschüre „Plastik in Schwerin“ von 1981. Hier sind tatsächlich zwei Statuen von Helmut Hartung abgebildet – der langhaarige Bauarbeiter vom Dreesch und ein weiterer, der vor der Poliklinik in Süd gestanden hatte. Allerdings: Die Dreescher Statue wurde 1975 und damit ein Jahr vor der Statue an der Poliklinik aufgestellt. Die Geschichte, dass aufgrund der Statue vor der Poliklinik also eine zweite für den Dreesch in Auftrag gegeben worden sein soll, gerät dadurch ins Wanken. Die langhaarige Plastik war zuerst da.
Zwei Namen tauchen immer wieder auf
Durch Helmut Völtz und weitere Informanten kommt ein zweiter Name ins Spiel: „Dieter Popp“. Er war Held der Arbeit. Einige haben ihn in der langhaarigen Statue wiedererkannt, andere in der schlanken, kurzhaarigen Gestalt der zweiten Statue.
Es bleiben also Fragen offen: Wer ist wer? Stimmen die Namen überhaupt? Joachim Jägel schickte mehrere E-Mails und Fotos an die Redaktion. Er hatte damals als einer von drei Oberbauleitern in Schwerin Süd gearbeitet und erinnert sich noch daran, wie das Zelt des Künstlers aufgestellt worden war. „Ich glaube, dass er dort circa vier Monate lang tätig war“, heißt es in einer seiner ausführlichen E-Mails. Er untermauert, dass Dieter Popp in der Statue vor der Poliklinik abgebildet ist, also dass er der kurzhaarige Bauarbeiter war. Für die Bauarbeiter-Statue vom Dreesch soll wiederum ein anderer Modell gestanden haben. Unter zwölf Bekannten von damals hat Joachim Jägel sich umgehört und stieß auf den Spitznamen „Spacki“, wohl weil der junge Mann sehr „spack“ – also schlank – gewesen war. Er sei dem Künstler ins Auge gefallen, wahrscheinlich „weil dessen Haare und Figur nicht ganz in die Zeitmode passten, aber wohl seine künstlerische Ader reizten“, schreibt Joachim Jägel. Dazu schickte er Fotos eines Ausflugs der Brigade Reinhold Huhn mit. „Einer der Mitreisenden“, so schreibt Joachim Jägel, „sieht der Skulptur mehr als ähnlich“.
Bringt „Neuer Weg“ eine neue Spur?
Die Recherchen laufen weiter auf Hochtouren. Klar ist: Dieter Popp, den Helden der Arbeit, hat es wirklich gegeben. Die Frage ist, wie er tatsächlich ausgesehen hat. Ist er der langhaarige Bauarbeiter vom Dreesch? Das Titelblatt der SED-Zeitschrift „Neuer Weg“ könnte Aufschluss darüber geben. Eine Bildunterschrift im Internet verweist darauf, dass er auf dem Titel der Ausgabe 20 von 1980 ganz links abgebildet sein soll – das Titelblatt selbst ist aber nicht zu finden. Wer Ausgaben dieses Magazins gesammelt hat, könnte also schon einmal eine der beiden Identitäten klären. Die lokale Presse soll ebenfalls viel über den Künstler Helmut Hartung und Dieter Popp berichtet haben. Manche glauben, es handele sich bei der Dreescher Statue nicht um Dieter Popp selbst, sondern um einen Mitarbeiter der Brigade Popp. Wieder andere erzählen von der Brigade Günzel, von der sich später die Brigade Reinhold Huhn abgespaltet haben soll.
Bitte um neue Hinweise
Die WGS bittet um weitere Hilfe. „Denn selbst, wenn Dieter Popp in unserem Mann aus Beton verewigt ist, sind wir nun neugierig geworden, was die zweite Statue betrifft“, so WGS-Geschäftsführer Thomas Köchig. „Wir hätten nicht gedacht, dass es so spannend wird, aber nun wollen wir es ganz genau wissen.“ Wer mehr Infos zu den Statuen hat, sich mit den Brigaden Popp, Günzel und Reinhold Huhn auskennt oder sich an Norbert Heinert erinnert, wendet sich am besten an die hauspost, Stadionstraße 1, 19061 Schwerin oder schickt eine E-Mail an redaktion@hauspost.de.
maxpress/Janine Pleger