Vertrauen ist der richtige Weg

Intendant soll das Staatstheater künstlerisch und wirtschaftlich auf gesunde Füße stellen

Schwerin • Der Aufbau für die Schlossfestspiele hat begonnen, ab dem 21. Juni zeigt sich das Mecklenburgische Staatstheater wieder unter freiem Himmel. Es ist das dritte Mal für Intendant Lars Tietje. Er blickt mit Spannung nach vorne - sind alle guten Dinge Drei? Und er spricht mit der hauspost über bewegte zweieinhalb Jahre. Denn: Ruhe ist noch längst nicht eingekehrt.

hauspost: Herr Tietje, bevor Sie als Intendant und Geschäftsführer ans Theater gekommen sind, stand es regelmäßig mit roten Zahlen in den Schlagzeilen. Sie sind hergeholt worden, um das Ruder rumzureißen. Wo steht das Theater jetzt wirtschaftlich?
Lars Tietje: Wir haben tatsächlich mehrere ausgeglichene Jahresabschlüsse hingelegt. Auch ein kommunaler Zuschuss, den mein Vorgänger noch im Dezember 2015 erwirkt hat, hat dabei geholfen. Rechnen wir den raus und bedenken alle finanziellen Ein- und Ausgänge, kommen wir noch nicht ganz hin, aber beinahe. Und es stehen ja auch noch die Beschlüsse aus dem Theaterpakt aus.

hauspost: Was gehörte zu den wichtigsten Maßnahmen für die schwarzen Zahlen?
Lars Tietje: Niemand spricht gerne über Kürzungen, auch ich nicht. Sie hinterlassen Wunden und das verstehe ich gut. Allerdings waren sie eine Auflage, die ich zu erfüllen hatte. Da gab es keine Alternative. Wir haben also 30 Stellen abgebaut und durch die Fusion mit Parchim Synergie-Effekte erzielt.  Wir setzen jetzt auf großes Schauspiel und großen Text - nicht gerade ein defensiver Weg, aber der richtige.

hauspost: Auf was für Barrieren sind Sie bei der Umsetzung aller Maßnahmen gestoßen?
Lars Tietje: Nun, ich hatte harte Rahmenbedingungen und das Land hat sehr professionell darauf geschaut, ob ich mich auch in diesem Rahmen bewegen werde und mit den Einschränkungen auch umgehen kann. Der Honorar-Etat wurde zum Beispiel um rund 15 Prozent gekürzt, das muss man erstmal händeln. Durch ein doppeltes Controlling haben mir die Träger stark auf die Finger geschaut, ich habe mich viel rechtfertigen müssen. Und das, obwohl ich den Job des Geschäftsführers nicht zum ersten Mal mache und in 15 Jahren noch nie einen negativen Abschluss hingelegt habe. Seit die Auftraggeber aber erkannt haben, dass die Umsetzung des Konzepts stimmt, ist unser Vertrauen zueinander gewachsen. Das ist ein gutes Gefühl. Dadurch haben wir jetzt wieder mehr Spielraum für Kunst.

hauspost: Vieles, was sie tun oder lassen, wird in der Öffentlichkeit diskutiert. Sicher auch ein Zeichen für die Verbundenheit der Schweriner mit ihrem Theater. Haben Sie diese starke Identifikation erwartet?
Lars Tietje: Ja, ich habe schon länger Schwerin im Auge gehabt und mich mit der Theaterlandschaft hier befasst. Ich wusste, hier stehen die Leute hinter ihrem Theater, dem Ensemble und sie hängen an dem schönen Gebäude. Diese Emotionalität spricht für die Qualität des Theaters und gleichzeitig des Publikums. Das schätze ich sehr.

hauspost: Manche sagen: Theater ist Kultur, kein Wirtschaftsbetrieb. Sie selbst sind Künstler und Geschäftsführer. Wie bringen Sie das zusammen?
Lars Tietje: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir tolle Sachen machen können – mit den Mitteln, die wir derzeit zur Verfügung haben. Dazu gibt es vorerst leider auch keine Alternative. Aber natürlich schlägt auch das Kultur-Herz in mir. Allein, dass wir bei allen Kürzungen auf keine Sparte verzichtet haben, zeigt doch die Bandbreite der Kunst, die wir unbedingt wollen, neben aller Rechnerei. Und wir haben ein qualitativ hochwertiges Ensemble. Wir machen tolles Theater, das zeigen wir jeden Abend!

hauspost: Belegen das auch Zahlen?
Lars Tietje: Absolut. Schon in der Spielzeit 16/17 hatten wir die höchste Auslastung pro Vorstellung und auch die höchsten Einnahmen pro Besucher im 6-Jahresvergleich.  Und insgesamt sind die Besucherzahlen stabil. Abweichungen kommen ausschließlich durch die Schlossfestspiele zustande. Die waren zuerst grandios, dann im vergangenen Jahr nicht so erfolgreich am Alten Garten, dafür aber im Schlossinnenhof. Wir schauen jetzt positiv auf ,Anatevka’ und ,Cyrano’ ab Juni. Und auch der normale Spielbetrieb läuft. ,Im weißen Rössl‘ startete gut, seit Januar boomt die Nachfrage regelrecht, auch für ,Hexenjagd‘. Und der ,Rosenkavalier‘ ist hervorragend vorverkauft.

hauspost: Wie sichern Sie die große Bandbreite des Theaterpublikums?
Lars Tietje: Auch da spielen Kunst und Wirtschaft zusammen. Wir haben zum Beispiel das Musiktheater vom Schauspiel getrennt. Jede Sparte spielt dabei in hoher Qualität. Die ,West Side Story‘ schlug nicht umsonst so ein. Da haben wir übrigens auch die Schüler- und Familientage erfunden, denn nicht jede Familie kann sich ein normales Theaterticket leisten. Jetzt geht‘s. Wir kooperieren gut mit den Schweriner Schulen - und unsere neue Abteilung Theaterpädagogik, Vermittlung und Partizipation macht unser Haus offen für neues Publikum. Was die Schlossfestspiele betrifft, so sind wir neugierig darauf, wie sich die neuen Preise auswirken. Wir haben sieben Sitzplatzkategorien geschaffen. Ein Ticket gibt es also schon ab 25 Euro.

hauspost: Sie haben viele Veränderungen auf einmal umsetzen müssen. Nicht alle sind auf positive Kritik gestoßen. Worauf legen Sie in solchen Fällen als Führungskraft wert?
Lars Tietje: Ich habe die Herausforderung angenommen, weil ich mir diesen Umbruch am Theater zutraue. Es ist nicht meine erste Erfahrung diesbezüglich. Trotzdem lerne ich jeden Tag viel dazu. Ich möchte unbedingt kooperativ führen. Daran arbeite ich, denn ich weiß, dass es mir nicht immer gelingt, noch nicht. Gerne möchte ich auch noch etwas mehr Verantwortung abgeben. Ich weiß nämlich, dass ich wirklich überall gute Leute habe, aber ich vertraue noch unterschiedlich. Das kann ich verbessern. Die Führungskräfte-Coachings sind daher sehr sinnvoll. Ich mag Transparenz. Ich will immer verstehen, zum Beispiel warum jemand verletzt ist oder mich angreift. Wenn ich verstehe, was meine Mitstreiter bewegt, kann ich analysieren, abwägen und die Entscheidung kommunizieren. Reden ist mir wichtig und das Vertrauen zueinander. Daran werden wir gemeinsam weiterhin arbeiten, damit der neue Weg erfolgreich wird.

Text: Janine Pleger/Holger Herrmann