Uneinigkeit über das Alter von Schwerin
850. Stadtjubiläum könnte ein Missverständnis gewesen sein
Schwerin • 200.000 Menschen säumten am 5. Juni 2010 die Strecke des fünf Kilometer langen Festumzugs durch die Innenstadt zum 850. Jubiläum Schwerins. Doch einige Forscher meinen, dass das große Fest mit über 3.000 Mit- wirkenden mitunter nur ein Missverständnis war.
Sie verweisen nämlich auf die erste urkundliche Erwähnung der Stadt im Jahre 1018, die sich in der Chronik von Thietmar von Merseburg findet. Demnach soll Schwerin dieses Jahr bereits seinen 1.000. Geburtstag feiern. Das seit Jahrzehnten offiziell gefeierte Gründungsjahr Schwerins – anno domini 1160 – bezieht sich aber auf einen anderen Text – die „Slawenchronik“ von Helmold von Bosau. Demnach soll Heinrich der Löwe in jenem Jahr eine Stadt an der früheren Stelle der vom Fürst Niklot abgebrannten Burg gegründet haben. Kurz darauf soll auch der Grundstein des Schweriner Doms gelegt worden sein.
Fakt ist aber auch, dass die slawische Burg „Zuerin” (später dann Schwerin) noch vor der Neugründung durch Heinrich den Löwen existierte. Schließlich berichtete schon der arabische Kaufmann Ibrahim Ibn Jakub 973 zum ersten Mal von einer slawischen Burg auf der heutigen Schlossinsel. Im Jahr 2014 und 2015 wurden im Innenhof des Schweriner Schlosses Ausgrabungen durchgeführt. Entdeckt wurden die Holzreste einer slawischen Burg, die sogar in die 940er- Jahre mit großer Präzision datiert werden konnten. Einige Archäologen halten eine Besiedlung aber weit vor Christus für denkbar. Kein Wunder also, dass sich die Frage stellt: Ist Schwerin nicht mindestens 150 Jahre älter, als es sonst angenommen wird? Der Teufel steckt im Detail. Thietmar von Merseburg spricht in seiner Chronik von einem Slawen-fürsten namens Miztislaw, der sich in der Burg „Zuerin” 1018 verschanzte. Helmold von Bosau seinerseits schreibt die Stadtgründung dem legendären Heinrich dem Löwen zu – wenn auch 150 Jahre später.
Im 19. Jahrhundert wurde sich in der großherzoglichen Residenzstadt Schwerin bewusst entschieden, die Stadtgründung mit einem christlichen Herrscher in Verbindung zu setzen. Eine Art Verschwörung, die die Stadt auf einmal 150 Jahre jünger machte – zugunsten gewisser politischer Spielereien. Oder handelte es sich doch um ein Missverständnis?