Syrische Familie liebt deutschen Kartoffelsalat

Seit vier Jahren lebt die Familie Al Bouzan in Schwerin und fühlt sich heimisch

Seit vier Jahren lebt die Familie Al Bouzan in Schwerin und fühlt sich heimisch
Familie Al Bouzan freut sich, in Schwerin ein gemütliches Heim gefunden zu haben, Foto: maxpress

Mueßer Holz • Auf dem Tisch im Wohnzimmer stehen frische Rosen, daneben das gemütliche Familiensofa und helle Möbel. Im Hintergrund laufen auf dem Fernseher die Nachrichten aus der alten Heimat. Die liegt in Kobane im Norden Syriens, kurz vor der türkischen Grenze. Hier wollte die junge Familie Ende 2013 weg, als die IS-Terroristen kamen – mit Gewalt, mit Bomben und mit dem Tod.

Aus Angst vor dem Krieg flieht die vierköpfige Familie damals in den Libanon, wo Vater Obeid noch zu Friedenszeiten als Tischler gearbeitet hat. Seine Frau Amina hatte in Syrien Betriebswirtschaft studiert, den Abschluss konnte sie durch den Krieg nicht mehr erreichen.
Auch im Libanon fühlt sich die Familie nicht sicher und flüchtet 2015 weiter in die Türkei. Von hier aus soll es – so der Plan – mit dem Boot eines Schleusers in die sichere EU nach Griechenland gehen. 12.000 US-Dollar fordert der Schlepper für die Überfahrt. Dafür sollen die Flüchtlinge in einem kleinen Boot mit maximal 20 Leuten sicher über das Mittelmeer gebracht werden. „Im Boot waren bei der Überfahrt aber 70 Menschen – Männer, Frauen, Kinder. Es war furchtbar und viele haben vor Angst geweint”, beschreibt Obeid Al Bouzan den Horrortrip. „Der Schlepper hatte uns belogen. Acht Stunden hat die Fahrt gedauert. Es war so schlimm, denn wir hatten uns auf dem Meer noch verirrt. Wir wussten nicht, ob wir ankommen, aber wir hatten keine andere Wahl”. Noch immer stockt die Stimme des 39-Jährigen, wenn er heute davon erzählt.
Nach Stunden der Ungewissheit landet die Familie mit den beiden Kleinkindern in Griechenland, in der EU. Von hier aus geht es weiter mit dem Schiff nach Athen und über Land, mit dem Bus und oft auch viele Kilometer zu Fuß durch halb Europa in Richtung Deutschland. Nach der Flucht vor sechs Jahren wohnt das Paar jetzt in einer gemütlichen Wohnung im Mueßer Holz. Nachdem die beiden Erwachsenen in verschiedenen Kursen deutsch gelernt haben, wird auch zu Hause – und vor allem mit den beiden Kindern – deutsch gesprochen. Aland der heute 8-jährige Sohn geht hier in die Schule und hat jede Menge Freunde. Und auch Baland, der 6-jährige Bruder, freut sich schon auf die deutsche Schule und auf neue Spielgefährten.

Nicht ganz so leicht lief es mit der Arbeit für die Eltern. Ein Jahr hat Vater Obeid Bewerbungen geschrieben, bevor er eine Beschäftigung in seinem Beruf als Tischler in Grevesmühlen gefunden hatte. Seine 29-jährige Frau freut sich jetzt auf ihr Vorstellungsgespräch bei einer großen Krankenkasse und die Chance, einen Ausbildungsplatz zu finden. Vater Obeid träumt davon, irgendwann seine eigene Tischlerwerkstatt zu haben, selbständig zu arbeiten, seine eigenen Projekte zu verwirklichen. „Ich möchte, dass unsere Kinder hier in Sicherheit leben, in die Schule gehen und später ihre Träume verwirklichen können”, wünscht sich Amina für ihre Söhne. Während Amina zu Hause war und sich um die Kinder gekümmert hat, versuchte sie auch immer wieder, mit ihren Nachbarn im Wohnhaus Kontakt aufzunehmen.„Das war am Anfang richtig problematisch”, erzählt die junge Frau. Irgendwann nimmt eine Nachbarin, mit der sich Amina vorher gestritten hatte, dann doch die Einladung der Flüchtlingsfamilie an und bekommt einen Eindruck, wie sie wohnt, lebt und welche Träume sie hat. „Wir können in Deutschland viel erreichen, aber wir müssen dafür kämpfen und die Zähne zusammenbeißen”, sagt Amina über ihr Leben heute in der neuen Heimat. In Schwerin ist die Familie gern an den Seen und im Schlosspark unterwegs und genießt die Natur. Und auch in einige Gerichte der deutschen Küche haben sich die Syrer verliebt. Sie mögen deutschen Kartoffelsalat und die Kinder besonders Schmalzgebäck.

maxpress/Steffen Holz

Seit vier Jahren lebt die Familie Al Bouzan in Schwerin und fühlt sich heimisch
Der kleine Sohn hilft Mama beim Backen, Foto: maxpress