Sprechstunde mit Dr. Rico Badenschier
hauspost-Interview mit dem neuen SPD-Oberbürgermeister
Schwerin • In der Stichwahl am 18. September entschieden sich mehr als 60 Prozent der Schweriner Wähler für Rico
Badenschier als neuen Oberbürgermeister von Schwerin. Seit zwei Monaten ist der 38-Jährige nun im Amt – Zeit für ein
Exklusiv-Interview mit der hauspost.
hauspost: Herr Badenschier, am 1. November haben Sie Ihren Arztkittel an den Nagel gehängt und sind neuer Oberbürgermeister von Schwerin geworden. Wie sieht Ihre Diagnose für Ihren neuen Patienten, die Stadt Schwerin, aus?
Rico Badenschier: Die Stadt hat Potenzial, das sie leider nicht ausschöpft. Wir sind von den Einwohnerzahlen her zu klein, was uns an mancher Stelle in die Quere kommt. Als Arzt würde ich sagen: Die Stadt ist in einer Erholungsphase angekommen, aber noch lange nicht geheilt.
hauspost: Als OB können Sie nicht mehr als Arzt praktizieren. Vermissen Sie es?
Rico Badenschier: Tatsächlich hatte ich noch gar keine Zeit, das Arztdasein zu vermissen. Ich habe mich erst einmal in die verschiedenen neuen Aufgaben eingearbeitet. Aber wenn ich jetzt gelegentlich mal am Wochenende mit meinen ehemaligen Kollegen telefoniere und die dann spontan zu einem Schlaganfall gerufen werden, kann ich sagen: Ich muss auch noch zu einem Termin – zum Handball. Die Belastung als Oberbürgermeister ist auf jeden Fall eine andere – an einigen Stellen wird es anstrengender, an anderen Stellen wiederum entspannter.
hauspost: Bevor wir uns weiter über Ihre neue Berufung unterhalten, werfen wir vielleicht erst einmal ein Blick in Ihre Vergangenheit. Wie können sich die Schweriner Ihren Werdegang vorstellen?
Rico Badenschier: Geboren wurde ich 1978 in Chemnitz, das damals noch Karl-Marx-Stadt hieß. Dort bin ich auch zur Schule gegangen und habe den Zivildienst abgeleistet. Nach dem Medizinstudium in Marburg und Kiel folgten berufliche Stationen in Kiel und Itzehoe. Nach einem Jahr Elternzeit kam ich mit meiner Familie im Sommer 2008 nach Schwerin. An den HELIOS Kliniken habe ich meine Ausbildung zum Radiologen und später zum Neuroradiologen abgeschlossen und war dort zuletzt als Oberarzt tätig.
hauspost: Schwerin ist natürlich eine sehr schöne Stadt, aber gab es, abgesehen von der Attraktivität, für Sie noch andere Gründe, hierher zu kommen?
Rico Badenschier: Ich stand damals beruflich vor der Wahl, nach Hamburg oder Schwerin zu gehen. Im Prinzip gab es bei der Entscheidung drei Gründe: Zum einen habe ich familiäre Wurzeln väterlicherseits, die auf den kleinen Dörfern rund um Schwerin verankert sind. Dann war für uns mit zwei kleinen Kinder die Frage, welche Stadt wohl familienfreundlicher wäre, beziehungsweise, wo wir unsere Kindern lieber aufwachsen lassen würden – Schwerin lag da für uns einfach vorne. Und natürlich gab es hier für mich Arbeit in einem großen Krankenhaus.
hauspost: Und die Politik – wann kam die für Sie ins Spiel?
Rico Badenschier: Schon in meinem Elternhaus wurde viel über Politik diskutiert und das zum Teil sehr kontrovers. Das prägt. In der ersten Klasse war ich Gruppenratsvorsitzender – das ist ja auch irgendwie politisch. Den Ausschlag zu meinem Eintritt in die SPD hat aber mein Ärger über den Wahlkampf für die Bundestagswahl 2009 gegeben. Da kam mir der Gedanke: Das kann ich nicht mehr einfach nur den Anderen überlassen, da muss ich selbst etwas tun.
hauspost: Sie fahren viel mit dem Fahrrad?
Rico Badenschier: Ja, das stimmt. Als Oberbürgermeister leider nicht mehr so viel, wie als Arzt, aber zur Arbeit komme ich fast immer mit dem Fahrrad.
hauspost: Fühlen Sie sich auf den Schweriner Fahrradwegen sicher? Sehen Sie beim Fahrradwegenetz Verbesserungspotenzial?
Rico Badenschier: Ich fühle mich schon sicher, aber Verbesserungen braucht es in jedem Fall. Gerade in der Innenstadt ist das Fahrradfahren sehr schwierig. Vernünftige Achsen, um schnell von West nach Ost oder Nord nach Süd zu kommen, gibt es einfach nicht. Ich habe mir vorgenommen, dafür eine Lösung zu suchen. Deutlich besser als die viel diskutierten Fahrbahnmarkierungen auf dem Obotritenring wäre doch ein Fahrradstraßensystem durch die Innenstadt. Dann müssten die Fahrradfahrer den Obotritenring nicht nutzen und es gäbe dort keine Konflikte mehr.
hauspost: Stimmt es, dass Sie sich bei der städtischen Diskussion um den „Rockpalast” für dessen Erhalt eingesetzt haben? Wie kommt das? Hören Sie selbst gerne Rock?
Rico Badenschier: Tatsächlich höre ich auch gerne einmal Metal, wenn ich mich beruhigen will. Aber unabhängig davon hat so eine Kneipe in Schwerin einfach ihre Daseinsberechtigung, denn es gibt offensichtlich genug Bürger, die sich diese Bar wünschen. Natürlich bedeutet das immer eine Abwägung zwischen den Interessen der Kneipengänger und denen der ansässigen Mieter.
hauspost: Apropos Musik und Kultur: Waren Sie in letzter Zeit im Theater?
Rico Badenschier: Zuletzt war ich mit den Kindern bei Pinocchio.
hauspost: Würden Sie sagen, dass die Förderung des Theaters in der aktuellen Höhe gerechtfertigt ist – gerade, wenn an anderer Stelle soziale Themen in der Stadt aus finanziellen Gründen oft hinten angestellt werden müssen?
Rico Badenschier: Wir können und dürfen die Theaterlandschaft in Schwerin nicht totsparen, denn das ist ein Leuchtturm, der die Menschen nach Schwerin zieht. Kulturelle Bildung hat immer eine soziale Komponente: Kultur muss auch für Menschen mit kleinerem Geldbeutel erschwinglich bleiben und der Besuch des Weihnachtsmärchens darf kein Luxus sein. Außerdem liegt das Einspielergebnis des Schweriner Staatstheaters bundesweit an der Spitze. Würden wir wegen Einsparungen die Ticketpreise weiter anheben, ändert sich das mit Sicherheit sehr schnell.
hauspost: Wo wir gerade bei Finanzen sind: Haben Sie sich schon einmal Geld geliehen oder einen Kredit aufgenommen?
Rico Badenschier: Ich habe ein Haus gebaut... muss ich mehr sagen?
hauspost: Ein Kredit bedeutet natürlich immer Schulden. Die hat auch die Stadt Schwerin angehäuft. Aktuell liegt die Schuldenuhr bei etwa 221 Millionen Euro. Haben Sie schon Ideen oder Lösungansätze, um diese Schulden abzubauen?
Rico Badenschier: Beim Schuldenabbau muss man die Einnahmen und Ausgaben gegenüber stellen. Ich habe mir vorgenommen, dabei auch einen ganz genauen Blick in die Verwaltung zu werfen und zu gucken, wo Bereiche effizienter gestaltet werden können. Natürlich muss dann auch vernünftig mit dem Finanzausschuss, der solche Dinge entscheidet, zusammengearbeitet werden. Und dann müssen wir uns überlegen, wie wir unseren politischen und finanziellen Nachteil als viel zu kleine Landeshauptstadt lösen.
hauspost: Ist der Verkauf von kommunalem Wohneigentum eine Lösung? Derzeit gibt es dazu eine Diskussion um das Hochhaus in der Julius-Polentz-Straße.
Rico Badenschier: Wenn wir handlungsfähig bleiben und uns Gestaltungsspielraum lassen wollen, darf der kommunale Wohnungsbestand nicht einfach in fremde Hände gegeben werden. Das Hochhaus in der Polentz-Straße liegt mitten im Stadtteilzentrum, also genau dort, wo wir bei einer Stadtteilentwicklung ansetzen können. Diese Möglichkeit schränken wir ein, wenn wir ein so zentrales Gebäude verkaufen.
hauspost: Sie haben erwähnt, dass Sie Kinder haben. Wie haben Sie als Elternteil die Kita- und Hort-Situation in Schwerin erlebt?
Rico Badenschier: Wir sind ja unter anderem deshalb nach Schwerin gekommen, weil die Situation hier gut aussah. Wir sind dann aber auch Opfer eines bekannten Problems geworden: dem fehlenden Rechtsanspruch auf Hortplätze. Unser zweites Kind durfte nicht in den Hort gehen, wo unsere Große bereits untergebracht war, weil meine Frau damals mit unserem Jüngsten zuhause war. Dieses Problem betrifft jährlich etwa 50 bis 70 Kinder. Es gibt also noch einige Dinge zu lösen.
hauspost: Sie sind jetzt seit fast zwei Monaten im Amt. Was waren in dieser Zeit die größten Herausforderungen für Sie?
Rico Badenschier: Natürlich die Einarbeitung: Ich steige derzeit in viele Prozesse ein, die zum Teil schon weit fortgeschritten sind. Die ersten inhaltlichen Herausforderungen waren dabei die Diskussion zur Neubesetzung der Jugendamtsleitung und die Klärung der BUGA-Finanzierung zur Vorbereitung eines Bürgerentscheides
hauspost: Noch eine letzte Frage: Was wünschen Sie sich für das Jahr 2017?
Rico Badenschier: Auf jeden Fall mehr Zebrastreifen! (lacht)
hauspost: Vielen Dank!
Nele Reiber
Dr. Rico Badenschier:
• geboren am 18.07.1978 in Chemnitz, dort Schulbesuch und Ableistung des Zivildienstes
• nach Medizinstudium in Marburg und Kiel berufliche Stationen in Kiel und Itzehoe
• 2001/2002 Abgeordneter im 37. Studierendenparlament der Universität Marburg
• 2008 nach Elternzeit Umzug mit Familie nach Schwerin
• Ausbildung an HELIOS Kliniken zum Radiologen und Neuroradiologen, Oberarzt
• 2009 Eintritt in die SPD
• Tätigkeiten im Ortsverein Paulsstadt und ASG
• Mai 2014 Wahl auf die SPD-Liste in die Stadtvertretung
• bis 10/2016 tätig als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Bauen, Stadtentwicklung und Verkehr
• Mitglied im Werkausschuss des Zentralen Gebäudemanagements (ZGM),
Aufsichtsrat der Nahverkehr Schwerin GmbH (NVS)