Spitzeln zwischen Akten

Jugendweiheteilnehmer besuchten das Archiv in Görslow

Görslow • Abhör-Wanzen in Omas Kuckucksuhr verstecken oder vom Motorrad aus geheime Fotoaufnahmen machen – die Methoden der ehemaligen Staatssicherheit in der DDR weckten zwar Neugier bei rund 20 Schülern aber auch Skepsis.

Gegenseitiges Bespitzeln und ständiges auf der Hut sein waren alltäglich, erzählte Ove Hinrichsen vom Archiv für Stasi-Unterlagen für Mecklenburg-Vorpommern. Die 13- und 14-Jährigen aus Ludwigslust besuchten die Schweriner Außenstelle in Görslow und bereiteten sich damit auf ihre Jugendweihe bei der Volkssolidarität Südwestmecklenburg vor. In den rund 2,5 laufenden Kilometer Stasi-Akten stecken jede Menge Geschichten und Schicksale, die das damalige Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) Bezirk Schwerin dokumentierte.
Geschichten wie die geplante Flucht eines Ehepaares, das mit einem selbstgebauten Heißluftballon über die Grenze machen wollte, aber durch einen von der Stasi fingierten Einbruch in ihre Gartenlaube aufgeflog. Aber auch Geschichten von fleißigen Spitzeln wie einem ehemaligen Volkspolizisten mit dem Decknamen „Otto Moritz“, der als Invalide zwischen 1972 und 1982 eine dicke Berichtsakte füllte und dafür finanzielle Vorteile einheimste. „Man muss schon um die Ecke denken, um die Geschichten heute zusammenzusetzen“, erklärte Ove Hinrichsen. Vorgangs- und Personenkarteien zusammenbringen, handschriftliche Akteneinträge entziffern, Motivation und Umfeld der Beteiligten ergründen. Auch vor Schülern habe die Stasi keinen Halt gemacht, so der Fachmann weiter. Wer sich für die Staatssicherheit verpflichtete, dem habe Studium und Karriere offen gestanden – eines von vielen Druckmitteln auf die jungen Leute von damals.
Wer heute wissen möchte, ob er zu DDR-Zeiten bespitzelt wurde, kann einen Antrag stellen und Einsicht in seine mögliche Stasi-Akte nehmen. „Das geht auch für Dritte wie Eltern oder Großeltern, aber dann nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und für konkrete Verdachtsfälle“, sagte Ove Hinrichsen. Hier entscheide der Einzelfall. Eines sei sicher: Die Akten sind für die Ewigkeit bestimmt und werden inzwischen Blatt für Blatt digitalisiert.


Gespräch: So arbeitete die Stasi im Westen
Über die so genannte „Westarbeit“ berichtet Professorin Daniela Münkel des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit in der ehemaligen DDR (BStU) am Sonnabend, 26. Mai, von 14.30 Uhr an in der Schweriner Außenstelle in Görslow. Der Vortrag bietet eine Längsschnittperspektive der Aktivitäten und Strategien der DDR-Staatssicherheit in der BRD und erklärt deren Wirkung. Im Anschluss an den Vortrag gibt es eine Führung durch das Schweriner Stasi-
Unterlagen-Archiv.