Schlossfestspiele 2019: Musical voller Menschlichkeit

Mit „Anatevka” zeigt das Staatstheater ein Stück zwischen Unterhaltung und Ernsthaftigkeit

Schwerin • Schlichte weiße Bretter bilden die Fassaden der Häuser im kleinen jüdischen Dorf Anatevka. Sie säumen einen Dorfplatz mit weißen Bäumen, auf dem ab dem 21. Juni an 20 Abenden buntes Treiben herrschen wird. Bei den diesjährigen Schlossfestspielen hat sich das Mecklenburgische Staatstheater für einen Musical-Klassiker entschieden, der aktueller kaum sein könnte.

Wie der Untertitel von „Anatevka – Fiddler on the Roof” schon ankündigt, zeigen die Anfangs- und Schlussszenen des Musicals einen Geiger, der auf dem Dach spielt. Jenes Dach ist auf dem Alten Garten bereits zur erkennen. Im unteren Teil des kastenartigen Aufbaus verbirgt sich später das Orchester. Insgesamt wird das Bühnenbild eher schlicht wirken – kein Schweriner Schloss als zentraler Bestandteil des Hintergrunds, keine ´zig meterhohen Kulissen. „Wir befinden uns schließlich in einem eher ärmlichen Dorf. Da passt kein Prunk”, erklärt Bühnenbildner Wolfgang Kurima Rauschning. Stattdessen gehe es in seinem Lieblingsmusical mehr um die Tradition, um den Aufbruch, um die Menschlichkeit und die nicht immer einfachen zwischenmenschlichen Beziehungen. „Ich mag die Geschichte, weil sie einen gewissen Ernst enthält. Das wird gerade zum Ende deutlich”, so der Bühnenbildner.
Dass sich ein Musical mit seiner lockeren und leicht zugänglichen Erzählart auch ernsten Themen wie Ausgrenzung, Vertreibung und dem Brechen von Traditionen widmen kann, das ist in „Anatevka” zu sehen. Um diese ungewöhnliche Mischung trotzdem authentisch wirken zu lassen, hat sich ­Wolfgang Kurima Rauschning für sein Bühnenbild auf das Wesentliche konzentriert. Am Ende sind es die Menschen auf der Bühne, die das Stück zum Leben erwecken sollen. Darum wird mit viel Bedacht gecastet. Kein Opernsänger wird die Hauptrolle des Tevje spielen – eines einfachen jüdischen Milchmannes. Stattdessen sieht das Stück einen singenden Schauspieler vor. Gustav ­Peter Wöhler und Ansgar Schäfer übernehmen diesen Part – und das mit Erfahrung. Beide standen bereits in Anatevka auf der Bühne, sind vielen Zuschauern aber auch aus dem Fernsehen bekannt. Als Tevje werden sie sich den Sommer über mit den drei heiratswilligen Töchtern des Milchmanns herumschlagen. Während dem Vater die Tradition des jüdischen Dorfes sehr am Herzen liegt, haben die jungen Frauen ihren eigenen Kopf und folgen der Liebe – zum Teil in eine ungewisse Zukunft.


Wenn eine Nase der Liebe im Wege steht
Im Schlossinnenhof entführt Cyrano de Bergerac in eine Zeit voller Romantik und Wortwitz

Die Möglichkeiten, die große Liebe kennenzulernen scheinen in den Zeiten des Internets schier grenzenlos. Die Schlossfestspiele 2019 laden deshalb im Innenhof des Schweriner Schlosses ab dem 27. Juni auf eine Zeitreise ein. Vor mehr als 100 Jahren wurden Liebesschwüre noch in Briefform verfasst und auch damals stellten sich viele Verliebte die Frage: Kommt es auf die äußeren oder doch auf die inneren Werte an?

Der Franzose Cyrano de Bergerac, Hauptfigur des gleichnamigen Versdramas, ist charmant, wortgewandt und geschickt mit dem Degen. Allerdings leidet der Dichter unter seiner monströsen Nase. Als er sich in die schöne Roxane verliebt, fürchtet er eine Abfuhr. Im Namen eines anderen schreibt er ihr die gefühlvollsten Gedichte und verwickelt sich damit in ein Geflecht aus Liebe, Eifersucht und Krieg.
Auf den Hauptdarsteller der romantischen Komödie Martin Brauer kommt Einiges zu. In „Liliom” hat er sich bereits mit den Aufgaben einer Titelrolle vertraut gemacht. Für die Figur des Cyrano muss sich der Schauspieler nun jedoch nicht nur an eine sehr große Nase im Gesicht gewöhnen, sondern auch eine ganz neue Disziplin erlernen: das Fechten. Für die Open-Air-Produktion hat das Staatstheater extra den Fechtchoreographen Klaus Figge engagiert. Es wird also actionreich im Schloss­innenhof. Engarde!

Platz für 1.250 Besucher
• vom 21. Juni bis 20. Juli wird es 20 Vorstellungen von „Anatevka” geben
• auf der Tribüne gibt es 1.250 Plätze
• der elliptische Bühnenaufbau ist 35 Meter breit und 26 Meter tief
• für die Kulisse von Anatevka werden mehrere Tonnen Stahl verschweißt – vier  Tonnen alleine für den Bühnenboden
• 60 Darsteller werden bei „Anatevka” auf der Bühne zu sehen sein – Musical-Darsteller, Musiktheater-Ensemble, Chor mit Extrachor, Ballettensemble, Statisten, Kinderstatisten

Ein Auge für das Weltkulturerbe
Mit nur sieben Metern Höhe ist das Bühnenbild für „Anatevka” in diesem Jahr verhältnismäßig flach. So werden weder das Schweriner Schloss noch das Museum am Alten Garten verdeckt. Für diese Variante entschied sich das Staatstheater unter anderem wegen der Bewerbung des Residenzensembles als Weltkulturerbe. So haben Bürger und Gäste der Landeshauptstadt trotz der Festspiel-Kulissen eine ungehinderte Sicht auf das Schloss.

Tickets und Preise für die Schlossfestspiele
Karten für die Vorstellungen von „Anatevka” und „Cyrano de Bergerac” gibt es bereits auf den Internetseiten www.mecklenburgisches-staatstheater.de, www.schlossfestspiele-schwerin.de, an der Theaterkasse und unter (0385) 530 01 23. Dort gibt es auch alle Informationen zu Ermäßigungen. Die Preise für „Anatevka” staffeln sich in sieben Kategorien. Von Montag bis Donnerstag und sonntags können Musical-Fans sich bereits ab 25 Euro einen Platz sichern. Bei „Cyrano de Bergerac” sind vier Preiskategorien verfügbar. Auch hier gibt es Karten ab 25 Euro. Ein Kombiticket für beide Stücke in der 1. Platzkategorie kostet 99 Euro. Zudem gibt es Sonderangebote und Spezialtage für Schüler, Familien und Senioren.

BU1: Wolfgang Kurima Rauschning hat das Bühnenbild für sein Lieblingsmusical „Anatevka” entworfen, Foto: maxpress
BU2: Noch ohne große Nase, dafür aber schon im Fechttraining – Schauspieler Martin Brauer mimt bei den Schlossfestspielen Cyrano de Bergerac, Foto: maxpress

Text: Nele Reiber