Mit offenen Augen durch Schwerin

Weit mehr als 100 öffentliche Kunstobjekte verbergen sich in der Landeshauptstadt

Schwerin • „Jedes Mal, wenn ich durch die Stadt gehe, entdecke ich etwas Neues”, sagt Kay Jasper. Er ist im Schweriner Kulturbüro verantwortlich für die Kunst im öffentlichen Raum. Wie viele Skulpturen, Reliefe, Büsten, Baudenkmäler und ähnliches in Schwerin tatsächlich schlummern? Das weiß niemand so genau. Ein genauer Blick auf die Kunstobjekte und ihre Geschichte lohnt sich allemal.

Auffällig ist, dass es in der Landeshauptstadt nur wenig abstrakte Kunst zu bewundern gibt. „Die Schweriner sind da eher konservativ. Wir haben keine Universität – daher fehlt ein wenig der junge, akademische Blick”, gibt Kay Jasper zu. Wer mit offenen Augen durch Schwerin läuft, der entdeckt vor allem realistische Abbilder – von den Schirmkindern am Pfaffenteich über Bertha Klingberg bis zum Lenin im Mueßer Holz. Hier und da finden Betrachter auch schelmische Kunst, wie das Löwendenkmal auf dem Markt. Ein abstrakteres Beispiel ist etwa der Runde Tisch im Großen Moor.
Doch wie sehr wissen die Schweriner diese Kunst im öffentlichen Raum eigentlich zu schätzen? Oft sind es die Touristen, die eifrig Fotos machen, staunen und sich amüsieren. Unter den Einheimischen finden sich leider immer wieder welche, deren Respekt für die Kunst offenbar verloren gegangen ist. „Vandalismus ist ein Problem”, sagt Dirk Kretschmar, Leiter des Kulturbüros. „Vorfälle, wie kürzlich die Schmierereien am August Felten auf dem Marienplatz, sind immer sehr ärgerlich. Denn das Reinigen kostet Geld und das fehlt uns dann an anderer Stelle.”
Zuständig, nicht nur für die Reinigung, sondern auch für die Prüfung der Sicherheit und Standfestigkeit ist der Stadtwirtschaftliche Dienstleistungen, Eigenbetrieb der Landeshauptstadt Schwerin (SDS). „Wenn etwas beschädigt oder verunreinigt wurde, bekommen wir Bescheid. Dann sorgen wir selbst oder externe Dienstleister dafür, dass das so schnell wie möglich behoben wird. Dabei kann vom Lappen bis hin zum schweren Gerät alles zum Einsatz kommen”, erklärt German Knaak vom SDS. Eine dritte Stelle, die sich mit den Kunstobjekten beschäftigt, ist die Fachgruppe Denkmalpflege. Sie kommt dann zum Einsatz, wenn der Denkmalschutz eine Rolle spielt – beispielsweise bei der Schliemann-Büste am Pfaffenteich.
Viel Arbeit Hand in Hand. Da lohnt es sich doch, mal genauer hinzuschauen!

Geliehen, geschenkt oder gefunden

Die Wege der Kunst sind unergründlich – manchmal aber auch sehr direkt. In Schwerin treffen Kunstinteressierte auf geschenkte, geliehene oder sogar plötzlich aus dem Nichts aufgetauchte Skulpturen aus aller Welt.
Bei der Beschaffung von künstlerischen Objekten spielen die Schweriner Kunstvereine eine große Rolle. Die Stadt selbst hat kein Geld für den Kauf teurer Werke. Deshalb lebt die Kunstszene heute von Spenden und öffentlichen Ausstellungen, wie „ANDERSRUMportrait” im vergangenen Sommer an der Burgseepromenade oder die „Madgermanes” von 2017. Die Ergebnisse einer sehr eindrucksvollen Aktion sind noch heute in Schwerin zu sehen. Zwischen 1987 und 2006 organisierte der Kunstverein Wiligrad sechs Internationale Bildhauersymposien. Hierbei entstanden verschiedenste Werke – vor allem aus Metall. Die Treffen erregten internationale Aufmerksamkeit und bescherten Wiligrad und Schwerin zahlreiche öffentliche Kunstobjekte – beispielsweise am Pfaffenteich. Die Zypressen mit dem Titel „Cipressi Coltelli” stammen etwa vom Italiener Riccardo Biondi.
Das Löwendenkmal auf dem Markt ist eine Leihgabe der Deutschen Bank. Andere Kunstwerke wurden der Stadt hingegen geschenkt. So etwa der „Vogelzug” von Jo Jastram am Ziegelaußensee. Das Relief hat seinen aktuellen Standort jedoch über einige Umwege gefunden. Nach dem Tod des Künstlers 2011 galt es als verschollen. Ein Immobilienmakler „stolperte” schließlich darüber und kaufte es. Doch, wo nur ein meterhohes Metallrelief aufstellen? Um diese Frage kümmerte sich der Kultur- und Gartensommerverein Schwerin – dem schenkte der Immobilienmakler das 38.000 Euro teure Kunst-
objekt. Nach vielen Behördengängen, Genehmigungen und finanzieller Unterstützung durch die Sparkassen Stiftung, hat es nun seinen Platz gefunden. Und dort ist es nicht mehr wegzudenken.


BU1: Selbst für Einheimische findet sich im künstlerischen Stadtbild immer wieder ein spannendes Fotomotiv – wie beispielsweise der Vogelzug von Jo Jastram am Ziegel­innensee, Fotos: maxpress/SDS
BU2: Dirk Kretzschmar und Kay Jasper bewundern die „Keramische Säule” im Innenhof der Volkshochschule
BU3: Mit goldener und grüner Farbe besprüht – Straßenfeger August Felten am Marienplatz

Text: Nele Reiber