Mit erhobenem Blick bis ganz ans Ende der Welt
Erinnerungen an Helga Kaffke
Balycroy • Nicht weit von Westport, wo ein großer Findling den Ortseingang bestimmt, nur wenige Kilometer weiter und dann links: Dort steht das Wohnhaus von Helga Kaffke und Gabriele Berthel, direkt vor einer kleinen verfallenen Burg. Der Weg dorthin ist schwer zu finden. Kamen Besucher in der Dämmerung, standen die beiden Künstlerinnen am Lichtschalter an der Tür und knipsten die Außenlampe an und aus. Dann war es einfach: dem winzigen Leuchten entgegen.
Jeder Besuch im irischen Mayo an der nordwestlichen Küste Irlands wurde zu einem magischen Moment. Dort, wo die Bucht die Wellen bis fast an das Haus trägt, wurde gekocht, diskutiert und debattiert. Angestoßen und endeckt. Dazu blökten Schafe auf der umliegenden Wiese. Manchmal fanden die Runden auch im Atelier in der dritten Etage, im kreativen Refugium von Helga Kaffke statt, das nur über eine schmale, knarrende Holztreppe erreichbar war. Ein anderes Mal im Zimmer der Schriftstellerin, um auch Texte zu den kürzlich entstandenen Aquarellen zu hören. Dann las Gabriele Berthel betont ihre Zeilen und Helga Kaffke hörte versunken mit den Gästen gespannt zu.
Am großen Tisch im Viewroom neben der Küche auf einen Nenner zu kommen, war nicht leicht. Fast immer war Helga Kaffke die letzte, die sich in die Nacht erhob und schlafen ging. Sie konnte gut zuhören. Gesagt war dann immer noch nicht alles, denn es ging darum, die Welt zu verändern.
Helga Kaffke wurde 1934 in Leipzig geboren. Die ausgebildete Fotolithografin studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst ihrer Heimatstadt. Nach ihrem Diplom war sie ab 1959 freiberuflich tätig und so verschlug es sie nach Mecklenburg in die Stadt Schwerin. In ihrem Hochhaus-Atelier in der Friedrich-Engels-Straße – dort wo heute die Dreesch-Arkaden stehen – entstanden Porträts und vor allem mecklenburgische Landschaften auf Karton und Leinwänden. Ihre besondere Kunst war das Miniaturaquarell auf Papier. Drei Pinselhaare reichten aus, um das Licht zwischen Himmel und Erde, Stadt und Menschen spannend einzufangen.
Studienreisen führten Helga Kaffke nach Frankreich, Irland, Polen oder Rumänien. Wenige Jahre nach der Wende packte sie ihre Koffer und Kisten und zog gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Gabriele Berthel in die Welt hinaus. In einer eiskalten Nacht, zwischen Weihnachten und Silvester, holperte ein weisser, rostiger Kleinbus mit schwerbeladenem Hänger an Brüssel vorbei nach Frankreich. Ein Abenteuer, das an der Steilküste der Normandie im Ort Les Grandes Dalles vorerst halt machte. Ihr neues gemeinsames Zuhause wurde sofort zum Arbeitsort für die mecklenburgischen Einwanderer. Von hier wurden Studienreisen nach Frankreich und Irland unternommen und so verliebten sich beide Künsterlinnen nur wenige Jahre später neu: In das Land, wo die Farben so gewaltig, die Wiesen so satt, die Schafe so bunt und die Menschen so argwöhnisch sind. „Ein bisschen wie in Mecklenburg“, murmelte Helga Kaffke manchmal.
Zahlreiche Ausstellungen folgten. Schnell eroberten sich die kauzigen Frauen mit ihrem spitzem Humor und ihrer offenen Art die Herzen der Einheimischen, die neugierig kamen, oft kopfschüttelnd nach Hause gingen, um dann fragend wieder vor der Tür zu stehen. Beide sind schnell angekommen. So meckerten sie gern mit den Schafen vor der Tür, diskutierten mit eigenwilligen, irischen Handwerkern und genossen die Stille auf dem alten, zerfallenen Friedhof hinter der großen Wiese vor dem gewaltigen Bergmassiv. Mehrere gemeinsame Bücher von ihren Reisen und Eindrücken in Irland und Frankreich entstanden in dieser Zeit. So hätte es weitergehen können. Doch im vergangenen Spätherbst verließ Helga Kaffke, kurz nach ihrem 83. Geburtstag diese Welt. Sie schlief friedlich in ihrem Atelier zwischen ihren Aquarellen und Zeichnungen ein. Bis zum Schluss hat sie gearbeitet, geplant, gekämpft und das Leben erobert. Ohne nachzugeben, immer mit erhobenem Kinn und trotz Krankheit mit der Lust auf Neues.
Gabriele Berthel will ein angefangenes Mecklenburg-Buch mit eigenen Texten und Bildern von Helga Kaffke vollenden. Wenn alles klappt, kommt es 2019.
Tipps der Redaktion zu Helga Kaffke:
• Buch „Unterwegs in Irlands wildem Westen”
Dieses spannende Buch ist das letzte gemeinsam erarbeitete Projekt von Gabriele Berthel und Helga Kaffke. Hier ist geht es mit Texten, Gedichten und wunderbaren Aquarellen auf Reisen – „Unterwegs in Irlands wildem Westen“. Der hochwertige Festeinband und Druck mit 148 Seiten ist im Januar in einer deutsch-englischen Variante fertig geworden und nun im Verkauf.
• Kalender 2019
Dazu bietet der Verlag auch einen Kalender für 2019 an.
Verlag Edition
digital Pekruhl & Sohn
Alte Dorfstraße 2b, Godern, 19065 Pinnow
Telefon: (03860) 505 788
• Buch „Wer kämmt das Haar in der Suppe?”
Dieses Buch für Kinder und Erwachsene mit Texten, Gedichten, Aphorismen von Gabriele Berthel und Illustrationen von Helga Kaffke ist fast vergriffen. Eine Restauflage ist beim maxpress-Verlag erhältlich.
Stadionstraße 1, 19061 Schwerin
Telefon: (0385) 760 520
www.maxpress.de
Täglich von 9 - 17.30 Uhr oder nach Vereinbarung.
BU1: Helga Kaffke in ihrem Atelier unterm Dach. Freunde aus Mecklenburg schauten hier gern mal rein, wenn sie in Irland unterwegs waren
BU2: Mit ihrer kecken Art und erhobenem Kinn: die Malerin im Selbstporträt
BU3: Gemeinsam mit Gabriele Berthel lebte Helga Kaffke hier in der irischen Abgeschiedenheit
BU4: Helga Kaffke (l.) und ihre Lebensgefährtin Gabriele Berthel
BU5: Buch „Unterwegs in Irlands wildem Westen”
BU6: Kalender 2019
BU7: Buch „Wer kämmt das Haar in der Suppe?”
Fotos: maxpress/hh