Immer ganz nah am Menschen

Arbeiterwohlfahrt in Schwerin und Westmecklenburg stellt sich Herausforderungen seit fast 30 Jahren

Schwerin • „Wir haben tatsächlich mit einem geborgten Stuhl begonnen“, erinnert sich AWO-Geschäftsführer Axel ­Mielke an die Gründung am 17. Mai 1990 in Schwerin. Er war dabei und ist dem Wohlfahrtsverband treu geblieben. Heute engagieren sich mit ihm 681 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Axel Mielke und Bernd ­Sievers, Vorstand des Kreisverbands Schwerin-
Parchim, erzählen im hauspost-Interview, was das besondere Engagement der AWO tagtäglich ausmacht.

hauspost: Was waren die ersten Projekte der AWO hier in Schwerin?
Axel Mielke: Wir haben zum Beispiel das damalige Gemeindeschwester-System übernommen und fünf Sozialstationen gegründet, eine davon war auf dem Dreesch. Wir hatten schon damals das Gefühl, hier einen Bedarf zu haben. Als die Stadt dann 1993 die ersten Kitas ausgegliedert und in freie Trägerschaften übergeben hat, haben wir vier davon übernommen. Eine in der Weststadt, eine in Görries, eine am Obotritenring und eine auf dem Dreesch.

hauspost: Die AWO zeichnet sich durch eine besondere Vielfalt aus. Wie packen Sie dabei die Dinge an?
Axel Mielke: Viele denken, wir machen Kita und Kurse. Das ist es längst nicht alles. Wir machen auch nicht nur einfach Pflege oder Freizeit- und Jugendarbeit. Entscheidend ist, dass wir dorthin gehen, wo wir gebraucht werden. Wir stoßen ein Projekt an, ziehen es durch und bleiben am Ball. Das Projekt ist damit nicht zu Ende und unter Erfolg verbucht, sondern geht weiter. Wir entdecken bei unserer Arbeit immer wieder neue Bedarfe und stellen uns Themen wie der Allgemeinen Sozialberatung, aber auch Schwangerschaftsberatung und Migrationsberatung. Daraus ergeben sich oft noch weitere Frauenthemen wie Frauenhaus oder Beratung bei häuslicher Gewalt und so weiter.

hauspost: Welche Rolle spielt der Mensch bei so viel Organisations- und Entwicklungsarbeit?
Bernd Sievers: Die Hauptrolle. In jeder Hinsicht. Unser Profit ist das Engagement unserer Leute. Soll heißen: Sie sind vor Ort, sie arbeiten in den Einrichtungen, sie sehen, was rund läuft und was nicht. Daraus entwickeln sich Ideen und sinnhafte Konzepte für zukünftige Verbesserungen und Projekte. Alle Extras kommen also von innen heraus. Viele arbeiten bei uns auch ehrenamtlich. Alle Vorstände haben großen Respekt vor der Selbstständigkeit der Mitarbeiter und deren Herzblut.
Axel Mielke: Und wir integrieren die Menschen auch auf der anderen Seite, also diejenigen, die wir beraten und betreuen – und deren Angehörige. Wir haben zum Beispiel die erste ambulante Demenz-WG gegründet, in Pampow. Insgesamt werden es bald sechs sein. Hier stellen wir den äußeren Rahmen, mit dem Gebäude und einer Hausdame. Wer einzieht, kann aber seine vertraute Pflegerin oder den Betreuer mitbringen. Und die Angehörigen entscheiden mit über den Essensplan und vieles mehr. So etwas halten wir für sehr wichtig. Wir wollen nicht nur eine optimale Auslastung unserer Einrichtungen organisieren, sondern das Leben dort auch lebenswert machen. Wir agieren für Menschen und vor allem mit Menschen.

hauspost: Wie schwierig ist das mit Blick auf Finanzen und Fachkräftemangel?
Axel Mielke: Unser Hauptproblem sind Förderprogramme, die nicht mit den tariflichen Entwicklungen mitgehen. Natürlich wollen wir hier weiter ganz transparent arbeiten, aber die gesamte Handhabung dabei muss einfacher werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt – komplett losgelöst von Fördermitteln – sind die Löhne für Fachkräfte. Sie sind ja schon lange ein wichtiges Thema...
Bernd Sievers: ... das weiter dringend diskutiert werden muss! Wir kämpfen bei den Kostenträgern deshalb für mindestens tarifliche Löhne. Denn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in allen Einrichtungen und Diensten einen verantwortungsvollen Job, der sie teilweise sowohl körperlich als auch psychisch an ihre Grenzen bringt. Und qualitativ gute Arbeit muss einfach auch gut bezahlt werden!

hauspost: Was tut die AWO unabhänig von Löhnen für die Gewinnung von Fachkräften?
Axel Mielke: Wir setzen auf kreatives Marketing und schnelle Reaktion. Zum Beispiel bekommen Online-Bewerber innerhalb von 24 Stunden eine Antwort auf ihre Anschreiben. Das ist Wertschätzung von Beginn an und tolle ­Kommunikation, die wir auch im Arbeitsverhältnis fortsetzen.
Bernd Sievers: Wir tun viel für die Fort- und Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bieten betriebliches Gesundheitsmanagement, Stichwort: mobile Massage und AWO-Fitnesstag, um Beispiele zu nennen. Darüber hinaus investieren wir in unsere Leitungskräfte und in ein gutes Miteinander in den Teams. Und wir gehen neue Wege auch mit anderen Partnern, um Fachkräfte für uns zu gewinnen.

BU1-BU3: Die AWO Schwerin-Westmecklenburg kümmert sich nicht nur in zahlreichen Kinder-, Jugend- oder Senioreneinrichtungen. Die Mitarbeiter stellen wichtige Pilotprojekte auf die Beine, um notwendige Betreuungen abzusichern, Fotos: maxpress
BU4: Neueröffnung des Café Fun mit OB Rico Badenschier: Wichtig für junge Mütter und Väter, die Beratung suchen und bekommen
BU5: AWO-Vorsitzender Bernd Sievers
BU6: AWO-Geschäftsführer Axel-Mielke

Text: Janine Pleger, Holger Herrmann