Hauspost-Kommentar August 2019: Öffentliche Kunstobjekte

Nele Reiber, Redakteurin

Liebe Leserinnen und Leser,

Kunst ist eine streitbare Angelegenheit. Das gilt auch für Objekte im öffentlichen Raum. Ob es nun ein Lenin ist, der für den einen das Stadtbild stört und für den anderen klares Bleiberecht hat. Oder ein Brunnen, der früher mit seiner Nacktheit empörte und heute nicht mehr wegzudenken ist.
Wenn ich versuche zu ergründen, ob mir ein Kunstwerk gefällt, dann sehe ich es mir gerne durch die Augen eines Kindes an. Kinder sind nicht „vorbelastet”, kaum geprägt durch Meinungen von außen. Sie sehen Kunst mit unverklärtem, fantasievollem Blick, gehen ganz dicht heran, um die Perspektive zu wechseln. Wenn ihnen etwas gefällt, dann berühren sie es, wollen es greifen. Ich war als Kind genauso. Der bereits erwähnte Brunnen, der nun vor dem Hauptbahnhof steht, hatte es mir angetan. Ich hatte keine Augen für die Nacktheit – sondern nur für die Seelöwen am Beckenrand, die wie echt wirkten. Ich gab ihnen Namen, tätschelte sie, ritt auf ihnen. Sie waren der erste Anlaufpunkt, wenn ich Schwerin besuchte. Der Brunnen hat etwas in mir ausgelöst und tut es bis heute.
Und genau das ist es, was meiner Ansicht nach gute öffentliche Kunstwerke ausmacht. Sie schaffen den Sprung vom Alltagsgegenstand, an dem wir ungesehen vorübergehen, zu etwas, das uns prägt, mitnimmt und zum fantasieren animiert. Sie wecken unser inneres Kind – oder erregen eine tiefe Empörung. Sie lassen uns nachdenken, erinnern uns an eine vergangene Liebe oder an ein bewegendes Ereignis. Das einzige, was dafür nötig ist: mit offenen Augen durch die Stadt gehen. Viel Spaß dabei!

Herzlichst, Ihre
Nele Reiber