Etikette als spannende Tour
Zahlreiche Rundgänge im Schlossmuseum bringen Kindern alte und neue Benimmregeln bei
Schwerin • Was höflich ist – und was nicht – ist eine Frage des Wandels. Sitten und Gebräuche sind nicht nur kulturell verschieden, sondern verändern sich im Laufe der Zeit. Zahlreiche Führungen für Kinder verbinden im Schlossmuseum Geschichte, gutes Benehmen und Entdeckerfreude miteinander.
„Ich möchte, dass die Kinder Spaß haben und zum Nachdenken angeregt werden“, so Museumspädagogin Susanne Klett. „Wir sprechen darüber, was früher bei Hofe wichtig war, was uns heute wichtig ist und vor allem: Dass Höflichkeit sich in anderen Kulturen durchaus anders ausdrückt. In China ist Schmatzen zum Beispiel erlaubt.“
Wenn die Einschränkungen durch Corona weiter gelockert werden, kommen wieder neue Kindergruppen ins Schloss. Dann wandeln sie beim Rundgang „Prinz und Prinzessin – ein Leben wie im Märchen?“ durch den Thronsaal oder ins Speisezimmer oder entdecken bei „Vorsicht, man belauscht uns!“ die höfische Geheimsprache, zum Beispiel mit Taschentuch und Fächer. Auch das Projekt „Höflich?“ – finanziert durch den Spendenerlös des Martensmann-Festschmauses vor zwei Jahren – bietet Kindern aus sozial benachteiligten Umfeldern dann wieder einen spielerischen Zugang zum Thema.
„Das Fragezeichen im Titel ist wichtig“, erläutert Susanne Klett. „Etikette ist kein starres Konstrukt. Die Kinder sollen hinterfragen dürfen, was heute noch gilt und was sich in den vergangenen 150 Jahren anders entwickelt hat. Vielleicht legt eine emanzipierte Frau keinen Wert mehr aufs Tür-Aufhalten, aber bei einer älteren Dame oder einem Herren finden die Kinder es eben doch angebracht.“
Eine Kostümierung bei den Rundgängen hilft dabei, sich in die alte Zeit hineinzufühlen. Die Mädchen schreiten in schönen Kleidern über die flachen Treppenstufen. Die Jungs tragen ihre Zylinder würdevoll und bieten ihnen den rechten Arm (Foto).
„Die Kinder lernen so einfach spielerisch. Und sich mal hochherrschaftlich fühlen – wer will das nicht?“, fragt Susanne Klett lachend. „Doch es gibt auch immer Überraschungen für Prinz und Prinzessin.“ So märchenhaft war das adlige Leben nämlich gar nicht. Die Tage waren straff durchgetaktet, jeder musste aufessen – auch das, was er nicht mochte – und das Taschengeld war nicht allein für Süßigkeiten da. „Stattdessen gab man davon dem Schuster ein Trinkgeld ab – auch schon als Kind. Oder man spendete Almosen. Da gibt es oft große Augen unter den kleinen Zuhörern“, erzählt die Museumspädagogin.
Große Worte wiederum fallen dann im lustigen Rollenspiel, wenn die Kinder lernen, dass sie den König im Plural ansprechen und sich verbeugen mussten. „Königliche Hoheit, darf ich Euch untertänigst bitten...“, beginnt eine klassische Frage von damals. Hätte der kleine Untertan jetzt noch den Zylinder abgenommen, wäre es perfekt höflich gewesen.
Janine Pleger