Eine Stadt will das Plastikproblem lösen

Warum jeder Einzelne seinen seinen Kunststoffkonsum überdenken sollte

Schwerin • Schwerin ist die Stadt der sieben Seen. Ausflüge und Sport mitten im Grünen sind selbstverständlich. Leider ist es für viele Menschen genauso selbstverständlich, den Müll einfach am Wegesrand oder der Wiese liegen zu lassen. Plastik ist ein Problem, das auch die Lebenshauptstadt betrifft. 80 bis 150 Teile aus Kunststoff lassen sich an den Ostseestränden pro 100 Metern finden, 75 Prozent bestehen aus Plastik. Ein Großteil der Abfälle gelangt vom Landesinneren ins Meer: Tüten, Verpackungen, Plastikflaschen und Zigarettenkippen. Auch an den Ufern des Schweriner Sees ist die Müllbelastung extrem hoch. Die Vermüllung beginnt „vor der eigenen Haustür“.

Sicherlich ist Plastik nicht grundsätzlich gut oder schlecht. Der Kunststoff aus gehärtetem Erdöl kommt zum Beispiel in der Medizin, Computer- und Fahrzeug­industrie zum Einsatz und leistet dort gute Dienste. Das große Problem betrifft den Plastikmüll, der zu zwei Dritteln aus Verpackungen hervorgeht. In der EU entstehen jedes Jahr rund 26 Millionen Tonnen, die SAS in Schwerin bringt täglich rund zwölf Tonnen Leichtverpackungen zur großen Lagerhalle. Weniger als 30 Prozent werden recycelt. Der Rest wird verbrannt, landet auf Mülldeponien oder in der Umwelt. In freier Wildbahn braucht eine Plastiktüte 20 Jahre, eine PET-Flasche schon 450 Jahre, bis sie vollständig zerfallen ist. „Plastik degradiert unter UV-Licht, also unter Einwirkung von Sonnenlicht. Das zerstört unter anderem die Wirkung der Weichmacher und macht das Plastik damit für mechanische Auswirkungen, also Wind und Wellen, angreifbar. Mit der Zeit entstehen mikroskopisch kleine Stückchen und gefährliche Inhaltsstoffe wie Bisphenol A, Phthalate oder Flammschutzmittel werden freigesetzt. Diese gelangen ins Grundwasser, können nicht gefiltert werden und gelangen so in die Ökosysteme und Nahrungskette”, berichtet Meeresbiologe Christopher Jöst vom Naturschutzbund in Schwerin. „Dafür verantwortlich ist jeder einzelne von uns, auch hier.“

Denn zum einen kann Müll nur recycelt werden, wenn er korrekt getrennt wird, was viele nicht tun. Und nicht jede Verpackung oder Tüte kann wiederverwertet werden. Zum anderen ist es der unachtsam weggeworfene oder zurückgelassene Müll, wie zum Beispiel nach einem Picknick am Ufer des Ostdorfer Sees oder bei einer Fahrradtour entlang der Warnow. Abfalleimer werden nicht getroffen oder der Müll wird einfach aus dem fahrenden Auto geworfen.

Zumindest hat die EU-Kommission im Mai dieses Jahres ein Maßnahmepaket vorgestellt, welches gezielt Einweg-Kunststoffprodukte wie Geschirr, Besteck, Halterungen von Luftballons, Strohhalme und Wattestäbchen aus Plastik verbieten soll. Und auch eine Reduzierung von Plastikverpackungen für Nahrungsmittel ist angestrebt. Doch das kann dauern. Neben generellen Verboten muss ein Umdenken bei den Menschen passieren – weg von der Einstellung „es geht ja um die Weltmeere, die sind ja nicht bei uns“ und „ist doch eh zu spät“. Vielmehr muss das Bewusstsein dafür wachsen, dass bei vielen Alltagsprodukten, die billig aus dem Ausland importiert werden, allein bei der Herstellung immenser Abfall entsteht und dass Deutschland zwar ein gutes Pfandsystem hat, trotzdem nicht alles Mehrweg ist. Mikroplastik und Weichmacher in Kosmetika können außerdem die Hormone hemmen und beispielsweise die Geschlechtsentwicklung von Kindern verändern, davon abgesehen, dass sie über das Grundwasser wieder in den Kreislauf gelangen.

 „Wir selbst müssen darauf achten, richtig zu trennen und Maßnahmen zur Müllvermeidung umsetzen. Den Lifestyle mit Biostrom, E-Autos und gesunder Ernährung leben viele ja schon. Warum nicht also auch den eigenen Plastikkonsum überdenken?“, so Christopher Jöst. In Schwerin gibt es bereits gute Vorbilder dafür.

Marie-Luisa Lembcke