Das heimliche Leben der Statuen

Mit Schwerins Skupturen im öffentlichen Raum verbinden sich spannende Geschichten

Schwerin • Denkmäler sind langweilig? Von wegen. Eine Stifterin fiel vor Entsetzen in Ohnmacht, ein Künstler würde sein Werk lieber abreißen, ein Meisterwerk landete in der Abstellkammer – und eine Skulptur birgt eine versteckte Überraschung.

„Der Schweriner Lenin ist nicht gerade mein bestes Werk. Ich wäre mit einem Abriss  einverstanden“, meint der Tallinner Bildhauer Jaak Soans auf hauspost-Anfrage. In der Bleiberechts-Debatte um die Lenin-Statue  (Foto 1) im Mueßer Holz kam er bisher nicht zu Wort. Schon bei der Aufstellung 1985 wurde der Künstler übergangen. Er holte Lenin bewusst vom Sockel, mit Händen in den Taschen und nachdenklichem Blick. Dazu passte seiner Meinung nach nicht der staatstragende Platz. Sein Entwurf für die Gestaltung wurde einfach ignoriert, obwohl er Teil des Kunstwerkes von Jaak Soans war. Ausgerechnet die Platzgestaltung machte die Lenin-Statue zum teuersten Schweriner Kunstwerk der DDR-Zeit. Der Platz wird bald mit Begrünung aufgehübscht, verspricht Kay Jasper vom Kulturbüro.
Das Löwendenkmal (Foto 2) am Marktplatz ist Touristenattraktion und „Zankmal”. Und es birgt ein tiefliegendes Geheimnis. Im Pferde-Hinterteil versteckt sich ein kleines Relief des Bruderkusses von Honecker und Breschnew. Den Durchblick hat Peter Lenk verbaut und nur er hat ein Foto. Der ­hauspost verriet er, dass es ihm „wegen Vandalismus-Gefahr“ auch lieber wäre, wenn sich sein versteckter Gag nicht weiter herumspricht. Also: Psst!
Der Brunnen „Rettung aus Seenot“ (Foto 3) hat eine bewegte Geschichte – er wurde vom Markt strafversetzt zum Bahnhof. Der Grund war die Statue eines Retters mit geborgenem Mädchen im Arm – beide komplett nackt. Die Spenderin Emma Mühlenbruch fiel, laut Überlieferung, bei der Enthüllung in Ohnmacht. Sie wollte mit dem Brunnen ihrem verblichenen Gatten gedenken. Der Tabakhändler gründete die Warnemünder Seenotrettung. Entscheidend für die Versetzung vom Markt auf den Bahnhofsvorplatz war dann, dass Reichspräsident Hindenburg sich beim Schwerin-Besuch über das frivole Werk Hugo Beerwalds mokierte.
Auch „Der Schreitende Mann“ entsprach nicht dem offiziellen Kunstgeschmack. Der nackte, vom Schicksal gezeichnete Alte missfiel der Partei 1970. Also landete die Statue im Heizungskeller, der Künstler erhielt Ausstellungsverbot. Noch in der DDR wurde Wieland Förster rehabilitiert, erhielt Kunst- und Nationalpreis. Die Statue steht heute in Güstrow und gilt als Meisterwerk. Der Künstler hat Schwerin verziehen, er bot der Stadt gerade wieder eine Skulptur an.

Touristen lieben das Löwendenkmal

Angesichts der Gesäßparade fragen Schweriner besorgt „was sollen bloß die Besucher denken?“. Die Gästeführerin Teresa Beck (Foto 4) gibt Entwarnung: Touristen lieben das Löwendenkmal.
„Toll! Das ist ja mal ein Denkmal das richtig Spaß macht“, meint eine junge dänische Touristin. Neben ihr steht ein älterer Besucher aus Oberstdorf und meint lachend: „Ja super, das bedeutet dann wohl ,leck mich‘, oder?“ Nachdem Teresa Beck ihnen die Geschichte erzählt hat, überzeugt sie das Kunstwerk noch mehr. „Die Schwerin-Besucher reagieren wirklich nur positiv und sehr neugierig auf das Löwen-Denkmal.“ Teresa Beck hat jedoch kulturelle Unterschiede bei den Reaktionen bemerkt: „Süddeutsche kennen Peter Lenk und gehen gezielt zu seinem Denkmal. Engländern muss man nicht erklären, wer Heinrich war, sie wollen alle Details wissen“, während amerikanische Besucher es einfach „funny“ fänden. Für die US-Gäste ist auch der „letzte Lenin“ und die ganze „Ostblock“-Szenerie auf dem Großen Dreesch faszinierend, Spanier hingegen finden die Altstadt interessanter. Norddeutsche Gäste lieben den Brunnen „Herrn Pastor sin Kauh“ am Schlachtermarkt, weiß Teresa Beck und „sie sind auch textsicher.“
Während Deutsche bei abstrakteren Skulpturen schon mal fragen, ob das noch Kunst sei, stellen sich internationale Gäste diese Frage nicht. Kinder, egal aus welchem Kulturkreis, mögen die Schirmkinder, sie stellen sich sofort dazu.
Bei allen Besuchern kommt außerdem der Bilderrahmen im Burggarten gut an. Insgesamt könne Schwerin mit seinen Kunstwerken punkten, resümiert die mehrsprachige Schwerinführerin. Mit den Schmierereien darauf aber nicht.

Text: Florian Maaß