Chefsache: Blech Leben einhauchen

Standort Schwerin überzeugt mit offenen Armen und Fachkräften

Göhrener Tannen • Wer in den Thailand-Urlaub fliegt, der sitzt wahrscheinlich auf Blech aus Schwerin. Die BVS Systemtechnik verarbeitet im Industriepark Schwerin Feinblech für Flugzeugsitze und die Konsolen dazwischen. Unter den Endabnehmern sind auch große asiatische Fluglinien.

„Wir hauchen einem toten Werkstoff Leben ein“, beschreibt der Firmengründer Harald Steiner (Foto) das Geschäft. Seine Mitarbeiter stanzen, schleifen, entgraten, entfetten, nieten, pressen und montieren mit Hilfe neuester Spezialmaschinen einzelne Bauteile oder ganze Baugruppen aus Feinblech. „Das wird das modernste Blechverarbeitungswerk der Welt“, verspricht der geschäftsführende Gesellschafter Harald Steiner. Die Produktion wird zunehmend digital erfasst und vernetzt, Schritt für Schritt geht es in Richtung „Industrie 4.0“. Am Ende könnten dann die Zulieferer und der Kunde in Echtzeit sehen, wie weit die Bearbeitung jedes Blechteils fortgeschritten ist und entsprechend Teile nachliefern oder die übergangslose Weiterverwendung der fertigen Elemente planen.
Ganz so weit ist es noch nicht. An einem großen Monitor in der Mitte der Fertigungshalle betrachtet ein Mitarbeiter die 3D-Animation einer Mittelkonsole. Eine Konsole besteht aus 55 Blechteilen, da ist es hilfreich, am Computer zwischendrin mal nachzusehen, wo das jeweilige Blechteil hingehört. Früher, bekennt der Chef, hätten zwar mehr Leute an der Presse gestanden, „aber dann hätten wir auch gar kein Werk in Schwerin eröffnen können.“
Die erste Firma, die BVS Blechtechnik, sitzt im schwäbischen Böblingen. Außerdem gibt es noch eine Produktion in China.
Für Harald Steiner war der erste Impuls, nach Schwerin zu gehen, dass ein wichtiger Kunde, der Kabinenausstatter ZIM Flugsitz, sich im Industriepark ansiedelte. Mit Erfolg: Die gemeinsam erstellten Flugsitze fliegen in Airlines aus aller Welt, etwa in der Premium Economy und Business Class bei Lufthansa und asiatischen Airlines. Ein weiteres Standort-Argument war die Begleitung und Unterstützung durch Verwaltung und Politik. „Dieses Bemühen um uns als Arbeitgeber, sowohl durch Stadt, Landesregierung als auch Invest in MV, habe ich in Baden-Württemberg niemals erlebt.“ Ministerpräsidentin Manuela Schwesig kam persönlich zu Richtfest und Einweihung.
Außerdem punktete Schwerin mit verfügbaren Fachkräften. „In Böblingen suchen wir seit einem Dreivierteljahr einen Informatiker – in Schwerin konnten wir jede Stelle sofort besetzen.“ Von den bisher 20 Schweriner Mitarbeitern ist der Chef begeistert. Mittelfristig plant Harald Steiner daher mit 40 bis 50 Beschäftigen, perspektivisch könnten es sogar 100 werden.
Im Alter von 28 Jahren gründete der gelernte Industriemechaniker in Böblingen seine erste Firma, die BVS Blechtechnik. Sein erster Mitarbeiter war damals 18 Jahre alt – und ist immer noch dabei. Fluktuation kennt die Firma nicht. Das liegt auch am Chef und seinem warmherzigen Führungsstil. „Was mich antreibt, ist, dass die Mitarbeiter jeden Tag mit einem Lächeln zur Arbeit gehen – ich bin eher Kollege als Chef“. Kollegen duzen sich, das schließt in dem Fall auch den Firmengründer ein. Auch zwei Kinder sind bereits „Kollegen“ in der Böblinger Firma. Der Älteste ist mit der eigenen Firma Kunde. Während die Flugsitze „um den Globus fliegen”, findet der Schwabe Ausgleich im schwäbischen Umland auf seiner Harley.

BU1: Firmengründer Harald Steiner von BVS Systemtechnik
BU2: Ein Industriemechaniker orientiert sich beim Zusammensetzen von Blechteilen einer Mittelkonsole für Flugzeugsitze an der 3D-Animation, Fotos: maxpress

Text: Florian Daniel Maaß