AWO: Pädagogik kann heilende Wirkung haben
Kinder- und Jugendwohngruppe setzt erfolgreich auf eine wertvolle Freizeitgestaltung
Paulsstadt • Wer kennt sie nicht – die Kinder, die in allen Lebenslagen anecken? Sie provozieren, stören den Unterricht, bekommen schnell Wutausbrüche, können sich nicht konzentrieren und reden dazwischen. Eltern und Lehrer sind mit ihnen pädagogisch überfordert und so wandern die Kinder von Einrichtung zu Einrichtung, müssen zum Teil starke Medikamente nehmen. In der Kinder- und Jugendwohngruppe der AWO bekommen sie ein Zuhause, in dem sie Schritt für Schritt wieder zurück ins Leben und weg von den Medikamenten finden können.
Über das Jugendamt gelangen die Kinder und Jugendlichen in die Wohngruppen. „Wir wollen herausfinden, was mit dem Kind los ist. Dafür beobachten wir erstmal ganz genau”, erklärt Teamleiterin Ingrid Katt (Foto: 2.v.r). Insgesamt acht Mitarbeiter sind für die acht Kinder zuständig – so hat jedes seinen eigenen Bezugsbetreuer. Ein fester Tagesablauf dient den Kindern als Orientierung und gibt ihnen Sicherheit. Aufstehen, Frühstücken, Schule, Hausaufgaben, Freizeit – alles soll so laufen, wie in einer ganz normalen Familie. Mit den Problemen der Kinder beschäftigen sich die Erzieher ganz nebenbei. „Für die Kinder ergibt ihr Verhalten durchaus einen Sinn. Sie haben es sich angeeignet, um in ihrem schwierigen Lebensraum existieren zu können. Deshalb eskaliert das Verhalten meist unter bestimmten Rahmenbedingungen. Wir machen es uns dann zur Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu verändern”, erklärt Ingrid Katt.
Eine wunderbare Möglichkeit bietet die individuell passende Freizeitgestaltung. Vom Musikunterricht bis zum Reiten – die Erzieher versuchen zu ermöglichen, was den Kindern gut tut – und das mit Erfolg. „Wir haben beispielsweise einen Jungen, der aus einem Heim außerhalb von MV zu uns kam und medikamentös hoch eingestellt war. Bei der Musiktherapie stellte der Lehrer fest, dass er sehr begabt ist. Nun spielt er seit drei Monaten Klavier und kommt dabei total runter”, berichtet die Wohngruppenleiterin. Medikamente braucht der Zwölfjährige inzwischen nicht mehr.
Andere Kinder sind im Fußballverein oder verbringen ihre Freizeit mit Reiten und Hilfsarbeiten auf dem Hof Medewege. Gemeinsam unternimmt die Wohngruppe auch Ausflüge an die Ostsee und plant derzeit einen Urlaub in Schweden. Und selbst wenn sich dabei kein dauerhafter Erfolg einstellt, ist ein einzelner schöner Moment schon ein wichtiger Fortschritt.
maxpress/Nele Reiber