AOK: Wenn Temperatursprünge zu Kopfe steigen

Im Interview erläutert Dr. Tim Jürgens das Zusammenspiel von Wetterschwankungen und Migräne

Schwerin • Das Thermometer springt innerhalb von zwei Tagen von 15 auf 30 Grad. Solche Wetterschwankungen sind vor allem für Migränepatienten eine große Herausforderung. Ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Wetter und Migräne gibt und was Betroffene tun können, erklärt Kopfschmerz-SPEZIAL-Arzt Dr. Tim Jürgens von der Universitätsmedizin Rostock.

hauspost: Herr Dr. Jürgens, warum leiden viele Migränepatienten unter dem Wetter?
Dr. Tim Jürgens: Das kann unterschiedliche Gründe haben. Wenn ich zum Beispiel empfindlich auf Flüssigkeitsmangel reagiere und bei heißem Wetter zu wenig trinke, kann das eine Migräne auslösen. Aber es scheint tatsächlich auch einen spezifischen Zusammenhang zu geben. So haben Studien gezeigt, dass sich bei schneller Luftdruckabnahme die Erregbarkeit des Trigeminusnervs erhöht. Dieser Nerv ist für schmerzhafte Empfindungen im Kopf- und Gesichtsbereich zuständig und spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Migräne. Es gibt aber keine einheitliche Studienlage zum Zusammenhang zwischen Wetter und Migräne.

hauspost: Was können denn Betroffene tun, wenn der Wetterbericht nichts Gutes verheißt?
Dr. Tim Jürgens: Wichtig ist es, die persönlichen Auslöser für Migräneattacken zu kennen. Denn die gilt es, gerade an solchen Tagen, so gut es geht, zu vermeiden. Ein Kopfschmerztagebuch, wie es beispielsweise im KopfschmerzSPEZIAL-Programm geführt wird, kann helfen, diese persönlichen Trigger zu identifizieren. In unserem Innovationsfondsprojekt SMARTGEM, das wir zusammen mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchführen, können Programmteilnehmer ihre Kopfschmerzen mit der Smartphone-App „M-sense“ dokumentieren. Ein häufiger Auslöser ist zum Beispiel Stress. Betroffene sollten deshalb an diesen Tagen unbedingt einen Gang herunterschalten und sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Viele Migränepatienten neigen zum Perfektionismus und dazu, sich selbst zu wenig zu schonen.

hauspost: Muss ich eine wetterbedingte Migräne anders behandeln als eine „normale“?
Dr. Tim Jürgens: Nein, an der Behandlung der Attacke ändert sich nichts. Allerdings sollten Betroffene nicht versuchen, einer Migräneattacke mit Schmerzmitteln oder Triptanen vorzubeugen. Das kann leicht zu einem Medikamenten-Übergebrauch mit der Gefahr eines häufigeren Auftretens der Kopfschmerzen führen.
Nähere Informationen zur Teilnahme an KopfschmerzSPEZIAL und SMARTGEM ­finden sich unter www.aok.de/nordost/kopfschmerz.