Bölkow soll bleiben

Stadtvertreter wollte Ehrenbürgerschaft streichen lassen

Der Antrag mit der Nummer 00488/2022 sorgte auf der letzten Sitzung vor der Sommerpause für eine emotional aufgeheizte Situation und Redebedarf der Schweriner Stadtvertreter. Was war passiert?
Stadtpräsident Armin Jäger (r.) beglückwünscht Ludwig Bölkow (2.v.r.) im Jahr 2000 im Beisein von Oberbürgermeister Johannes Kwaschik (3.v.r.) zur Ehrenbürgerschaft, Foto: Stadtarchiv

Altstadt • Der Antrag mit der Nummer 00488/2022 sorgte auf der letzten Sitzung vor der Sommerpause für eine emotional aufgeheizte Situation und Redebedarf der Schweriner Stadtvertreter. Was war passiert? Der fraktionslose Stadtvertreter Stephan Martini wollte mit seinem Antrag erreichen, dass Ludwig Bölkow von der Liste der Ehrenbürger entfernt wird.

Der Hintergrund seines Antrags: In der Biografie des Ehrenbürgers hat der Stadtvertreter Passagen gefunden, in denen Bölkow beschreibt, wie er zum Ende des Zweiten Weltkrieges Pässe von Mitgliedern der Waffen-SS gefälscht hat, sodass sie als einfache Soldaten fliehen konnten – für Martini eine Tatsache, die nicht hinnehmbar sei und eine Streichung Ludwig Bölkows von der Liste der Ehrenbürger Schwerins rechtfertigen würde. Zahlreiche Stadtvertreter sahen das in der Diskussion anders und fanden die jetzt angefachte Debatte eher unwürdig gegenüber der Person und der Familie Bölkows. Empört und wütend reagierte Norbert Clausen von der CDU/FDP-Fraktion auf den Aberkennungsantrag: „Alle hier genannten Fakten waren bereits bekannt und wurden bei der Entscheidung für die Ehrenbürgerschaft 1999 mitberücksichtigt. Ich schäme mich für diesen Antrag und dafür, dass wir das einer Familie (Bölkow, Anm. d. Red.) zumuten“, äußerte er seinen Unmut.

Auch Silvio Horn von den Unabhängigen Bürgern sah in den vorgebrachten Argumenten keinen Grund für die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Ludwig Bölkows. „Eine Streichung seiner Person kommt doch einer Brandmarkung gleich. Das macht etwas mit dem Lebenswerk, das macht etwas mit der Familie Bölkows und das macht auch etwas mit der Stadt.“ Ähnlich äußerte sich auch Gerd Böttger von der Fraktion DIE LINKE. „Wir haben es uns 1999 mit der Entscheidung für die Ehrenbürgerschaft Bölkows nicht leicht gemacht und auch Prügel dafür bezogen. Seine Verdienste, vor allem auch nach dem Krieg, gaben den Ausschlag dafür, ihm diese Ehrung zu Teil werden zu lassen“, so der Fraktionsvorsitzende.

Zur Erinnerung: Der am 30. Juni 1912 in Schwerin geborene Ludwig Bölkow besuchte das Gymnasium und studierte an der TH Berlin, wo er 1938 das Ingenieurdiplom erhielt. Vorher hatte er eine praktische Ausbildung zum Flugzeugbauer bei den Heinkel-Werken in Warnemünde absolviert. Später arbeitete der junge Bölkow bei der Firma Messerschmidt und entwickelte das erste Düsenjagdflugzeug der Welt mit. Seine Erkenntnisse und Erfindungen dienten ausländischen Flugzeugkonstruktionen als Vorbild. 1956 gründete er seine eigene Firma, die später mit Messerschmidt und Blohm zur MBB fusionierte und sich vor allem in der Luft- und Raumfahrttechnik sowie in der Waffenund Verkehrstechnik einen Namen machte. Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen Ende der 70er-Jahre beschäftigte sich Ludwig Bölkow mit der Energieversorgung der Zukunft und der Wasserstofftechnologie. In der Rede zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft im Januar 2000 würdigte Schwerins Oberbürgermeister Johannes Kwaschik Bölkow „für sein innovatives technologisches Wirken in Wirtschaft und Umweltforschung, für sein soziales Engagement und für seine tatkräftige Zuneigung zu seiner Vaterstadt.“

Mit zwei Gegenstimmen und zehn Enthaltungen entschieden sich die Stadtvertreter nach der emotional geführten Diskussion der vergangenen Sitzung für den weiteren Verbleib von Ludwig Bölkow auf der Liste der Schweriner Ehrenbürger.

maxpress/Steffen Holz