Zurück im Rathaus

Stadtvertreter tagten endlich wieder im Demmlersaal

Die letzte Sitzung des Stadtparlaments hier war im Januar 2020. Damals wurde für den Beschluss zum Klimanotstand Schwerins vor dem Rathaus demonstriert.
Mehr als zwei Jahre lang mussten die Stadtvertreter entweder im Goethe-Gymnasium oder in der Beruflichen Schule für Wirtschaft und Verwaltung die Sitzungen abhalten, Foto: maxpress

Altstadt • Die letzte Sitzung des Stadtparlaments hier war im Januar 2020. Damals wurde für den Beschluss zum Klimanotstand Schwerins vor dem Rathaus demonstriert. Zwei Jahre danach ist es vor dem Gebäude ruhiger und innen sind Zusammenkünfte auf engerem Raum wieder möglich.

Es ist Juni 2022 und viele haben jetzt das umweltfreundliche Neun-Euro-Ticket. Durch das kann jeder den Sommer über das Auto stehenlassen. Die meisten Stadtvertreter kommen auch ohne das Ticket entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Das könnte auch an den sportlichen Parkgebühren liegen. Dunkle Wolken scheinen an diesem sommerlichen Tag über dem Stadtparlament zu hängen: Die Sitzung fängt später an, obwohl einige Journalistenkollegen sich so abgehetzt haben, um den Beginn um 17 Uhr nicht zu verpassen. „Es gibt noch Beratungsbedarf“, heißt es, und: „Es geht erst 17.15 Uhr los.“ Das schafft die Gelegenheit, sich in der alten Umgebung neu zu orientieren. Gefährlich eng – aus pandemieerfahrener Sicht – sitzen die Fraktionsmitglieder nebeneinander an den Tischen, dahinter die Presse, noch dahinter die Gäste. Im Flur riecht es nach frischem Kaffee und Bockwurst. Hat die Kantine etwa wieder auf?

Nach gut eineinhalb Stunden Debatte und Abstimmungen ist es Zeit für die Pause im Stadtparlament. Ein paar Stufen unter dem Demmlersaal ist die Kantine. „Wir haben ein neues Cateringangebot und ich lade Sie alle ein“, sagt Stadtpräsident Sebastian Ehlers und bekommt schon Applaus und Jubel für den unfertigen Satz. „Ich lade Sie ein, das Angebot des neuen Caterers zu testen“, korrigiert sich Ehlers und ist einer der Ersten bei Kartoffelsalat, Bockwurst und Bulette. Den letzten Klops bekommt ein Abgeordneter der Unabhängigen Bürger, was dafür sorgt, dass ein Teil der noch wartenden Stadtvertreter der neuen Kantinenbesatzung den Rücken zudreht. Ein weiterer Teil der Hungrigen wird später an der Supermarktkasse eines naheliegenden Geschäftes oder in den Restaurants in der Nähe gesehen. Gut, dass Grünen-Mitglied Martin Neuhaus Abgeordneter und Gastronom ist. Gestärkt geht es weiter mit Anträgen und Debatten rund um die Kleingärten am Reppin, die Parkplätzen weichen sollen, um Zäune für Hundeauslaufplätze und die Jugend, die sich rausnimmt, die schönsten Stellen der Stadt zum Feiern zu erobern.

„Das Niveau ist heute recht erheiternd, wenn sich Heiko Steinmüller (Einzelbewerber) als Finanzexperte präsentiert“, sprudelt es aus Silvio Horn von den Unabhängigen Bürgern heraus. Es sollte nicht die einzige witzige Bemerkung des Abends bleiben. Manfred Strauß (UB) outete sich als Jugendversteher und nahm mit der Bemerkung: „Wir waren ja alle mal jung und auch ich habe so einige Dinger gemacht“, die Jugendnomaden Schwerins in Schutz. Stephan Martini, der Dauerantragssteller des Parlaments, bekam mit dem Satz: „Es ist einfach, Sachen zu fordern, die so richtig cool sind“, sein Fett weg. Apropos Fett. Dazu sagte Martin Molter: „Auch meine Waage trägt mich nach Corona kaum noch.“ Wer das wissen wollte? Wahrscheinlich keiner der Abgeordneten. Aber so mancher möchte sich im Parlament der Stadt einfach mal äußern, so wie CDU-Frau Silvia Rabethge, die mit den Worten „Ich wollte auch mal was sagen“, einen Antrag kommentierte, der bereits in die Ausschüsse verwiesen worden war. Dann folgte der nichtöffentliche Teil und die Journalisten durften gehen. Was dann nichtöffentlich gesprochen wurde, blieb der Öffentlichkeit auf dem Marktplatz durch die Lautstärke der Anlage im Demmlersaal und die geöffneten Fenster nicht verborgen. Aber die wurden doch hoffentlich noch geschlossen, oder?

maxpress/Steffen Holz