100 Jahre Liebe zur Literatur

Stadtbibliothek mauserte sich von der bescheidenen Volksbücherei zum Anbieter von 110.000 Medien

Am 29. Januar 1922 wurde sie gegründet und zog mit ihrer beeindruckenden Auslage von 18 Tageszeitungen und 80 Zeitschriften die Schweriner sofort an – die Volksbücherei in den Räumlichkeiten der Gewerbeschule in der Grenadierstraße.
1948 befand sich die Bücherei noch am ehemaligen Leninplatz (Foto unten), heute Marienplatz. Die moderne Stadtbibliothek im Klöresgang heute ist Literatur- und Begegnungsstätte Fotos: LHS , maxpress

Schwerin • Am 29. Januar 1922 wurde sie gegründet und zog mit ihrer beeindruckenden Auslage von 18 Tageszeitungen und 80 Zeitschriften die Schweriner sofort an – die Volksbücherei in den Räumlichkeiten der Gewerbeschule in der Grenadierstraße. Doch es sollten noch schwierige Zeiten kommen: Standortwechsel und politisch motivierte „Säuberungen“ brachten Veränderungen mit sich. Heute brilliert die Stadtbibliothek mit 110.000 Medien und einer Vielzahl von Veranstaltungen, besonders im Jubiläumsjahr.

Es ist kaum vorstellbar, dass die Volksbücherei in ihren Anfängen nur in drei Abendstunden geöffnet war – wo die Bibliothek doch heute montags bis mittwochs sowie freitags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags von 10 bis 14 Uhr und am Samstag von 9 bis 13 Uhr ihre Türen zur Welt der Bücher aufschließt. Doch nicht allein die zeitliche Begrenzung ist glücklicherweise schon lange her. Auch die Zensur mancher Literatur, so wie sie in den Jahren 1933 bis 1945 immer wieder stattfand, ist heute nicht mehr auszudenken. Während zunächst der Schweriner Volkshochschulverein ehrenamtlich für den Betrieb des Lesesaals sorgte, wurde 1924 mit Elli Dröscher die erste hauptamtliche Bibliothekarin eingestellt. Ein Jahr später bekam die Literatur buchstäblich mehr Raum an der Schlachterstraße und 1928 übernahm der Rat der Stadt die Trägerschaft.

Elf Jahre später folgte ein weiterer Umzug, diesmal zum Marienplatz und mit bereits 8.000 Büchern. Hier wurde erstmals das Freihandsystem eingeführt. Also konnten Literaturinteressierte selbst an die Regale treten, Bücher betrachten, darin stöbern und sich etwas Schönes auswählen. Bis 1954 war die Zahl der Mitarbeitenden auf zwölf herangewachsen, die der Bücher auf rund 20.500. Ein weiterer Standortwechsel für die Stadtbibliothek stand an – 1963 ging es in die Räumlichkeiten der ehemaligen Reichsbank in die Goethestraße. Von 1969 bis 1990 bildete sie zusammen mitder Landesbibliothek die „Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek des Bezirkes Schwerin“. Ein weiterer Umzug ins Perzina-Haus während dieser Zeit erwies sich im Nachhinein aus statischen Gründen als unglücklich, dazu kam die politische Wende und mit ihr das Ende des Schweriner Bibliothekenverbundes.

Die Landesbibliothek wurde vom Land übernommen und die Stadtbibliothek beschränkte ihren Wirkungskreis wieder allein auf das Schweriner Stadtgebiet. Die Kürzung von Mitteln durch die finanziell geschwächte Kommune blieb kein einmaliges Ereignis. Diskussionen über die Schließung der Zweigstellen Lankow und Neu Zippendorf kamen auf. Auch das Statik-Problem brauchte eine Lösung. Ein Neubau oder auch ein weiterer Umzug ins C&A-Kaufhaus standen zur Debatte und wurden wieder verworfen.

Lesen als Basis für Begegnungen

Erst 2013 wurde beschlossen, dass die Stadtbibliothek tatsächlich umziehen konnte, und zwar zum heutigen Standort, Klöresgang 3. Die langjährige Bibliotheksleiterin Heidrun Hamann hatte sich dafür ein- und sich durchgesetzt – zum Glück! Denn der Literaturknotenpunkt profitiert nach wie vor von der zentralen Lage. „In den Schweriner Höfen, wo sich Einkaufen, Dienstleistungen, Wohnen und Kultur unter einem Dach verbinden, präsentiert sich heute eine moderne Stadtbibliothek“, so die heutige Leiterin Grit Wilke. „Neben den Medien vor Ort bieten wir Zugang zum landesweiten Onleihe-Verbund mit allein 94.000 Medien.“ Grit Wilke und ihr Team sind stolz auf die 100-jährige Geschichte und blicken optimistisch auf den weiteren Verlauf des Jubiläumsjahres. „Unsere Bibliothek ist auch ein Raum für Begegnungen – mit zahlreichen Veranstaltungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Natürlich gibt es im Zuge der Corona-Pandemie zahlreiche Einschränkungen, aber wir haben noch viel vor und hoffen zudem, dass wir bald wieder sicherer und freier planen können.“ Zu den Veranstaltungen zählen Lesungen, Workshops und sogar ein Comic- sowie Digital-Tag.

maxpress/Janine Pleger

1948 befand sich die alte Bücherei noch am ehemaligen Leninplatz
1948 befand sich die alte Bücherei noch am ehemaligen Leninplatz, Foto LHS

So viel mehr als nur Lektüre

Drucksachen und Bibliothek der Dinge sorgen für Begeisterung

Altstadt • Grit Wilke hat 1984 in der Stadtbibliothek ihre Ausbildung als Facharbeiterin für Bibliothekswesen begonnen, später in Leipzig studiert und war dann wieder zurückgekehrt. Seit 2015 ist sie die Leiterin. Zum 100-jährigen Jubiläum blickt die hauspost mit ihr ein wenig hinter die Kulissen.

hauspost: Welches altehrwürdige Buch im Haus fasziniert Sie besonders?
Grit Wilke: Tatsächlich stehen die alten Bücher eher in der Landesbibliothek. Wir bieten hier viele aktuelle Medien und gehen vor allem weit über das Thema Buch hinaus. Mit der „Bibliothek der Dinge“ lassen sich inzwischen Mikroskope, Globen, Beamer oder Sternenhimmel-Projektoren ausleihen – sehr innovativ.

hauspost: Das klingt toll. Gibt es dennoch etwas, das Sie als größten Schatz der Bibliothek bezeichnen würden?
Grit Wilke: Sicherlich außergewöhnlich ist unser 3D-Drucker. Leser können uns den Link zur Datei schicken und der Ausdruck ist dann kostenlos. Es kommen sogar bewegliche Objekte mit Gelenken heraus – und das Ganze bis zu 30 Zentimeter groß. Das sorgt für Begeisterung pur! Als größten Schatz bezeichne ich allerdings unseren Freundeskreis der Stadtbibliothek. Der Verein begleitet unsere Arbeit derart aktiv und engagiert sich für und bei Veranstaltungen – da können wir nur Danke sagen!

hauspost: Was sind für Sie die Highlights im Jubiläumsjahr?
Grit Wilke: Wir sind gespannt auf viele tolle Veranstaltungen. Der positive Zuspruch der Schweriner zum Jubiläum sorgt bei uns ebenso für ein Hochgefühl. Außerdem sind wir in Vorfreude auf die RFID-Technik. Damit wird es voraussichtlich ab Dezember möglich sein, am Selbstbedienungsterminal Bücher auszuleihen und außerhalb der Öffnungszeiten wieder zurückzugeben.

maxpress/Janine Pleger

Highlights des Jubiläums der Stadtbibliothek

Kreativwettbewerb zum Jubiläum, noch bis 1. Juni: „100 Jahre spannende Geschichte(n)“, für alle von 6 bis 26 Jahren

Auftakt zum Sommerleseclub „FerienLeseLust“, 23. Juni um 9.30 Uhr: Stefan Gemmel liest „Abenteuer eines „Döner- Checkers“ für Klassen 4-6

Festveranstaltung „100 Jahre Stadtbibliothek“, 24. Oktober um 19.30 Uhr: Grußwort von OB Dr. Rico Badenschier, Vortrag vom Direktor des Stadtarchivs Dr. Bernd Kasten

„Gemischtes Doppel“, 24. November um 9 und 10.45 Uhr: Highlights des Bücherherbstes mit Annemarie Stoltenberg und Rainer Moritz

„Rabenweihnacht“ am 24. November um 9 und 10.45 Uhr: Lesung und Live-Illustration mit Andrea und Lee D. Böhm für die Klassen 1-2

Lesesonntag an der Bücherbox

Tauschen & Lauschen geht mit bewährten Vorlesern und Autoren eigener Werke in die dritte Runde

 

Wer liest wann und wo?
11 und 11.30 Uhr Krösnitz:
Lutz Dettmann und Mitglieder des Lions Club Schwerin Fürst Niklot lesen in der Stadionstraße 1 aus „Nathalie oder das gestohlene Lied“, „Schläft das Personal auch an Bord?“, „Die Frau aus dem Meer“ und aus dem Worttagebau.

11.30 und 12 Uhr, Neu Zippendorf:
Thomas Böhm und Dr. Wolfram Friedersdorff lesen in der Perleberger Straße 22 Gedichte von Joachim Ringelnatz und eine Überraschung.

13.30 und 14 Uhr, Weststadt:
Mánu Kolditz-Hermelschmidt und Martin Neuhaus lesen in der Lessingstraße 26a Passagen aus „Corona mit Senfsoße“ und „Kleiner Mann – was nun?“

13.30 und 14 Uhr, Lewenberg:
Thomas Blum und Steffen Holz lesen im Foyer der Helios Kliniken aus „Jaffa Road“ und „Es ist nur eine Phase, Hase“.

15.30 und 16 Uhr, Lankow:
Mitglieder des Lions Club Schwerin Fürst Niklot lesen nochmals.

15.30, 16 und 16.30 Uhr, City: Diana Sahlow, Sebastian Ehlers und Katrin Sobotha-Heidelk lesen in der Stadtbibliothek im Klöresgang aus „Mörderisches Schwerin – Eisige Tränen“, „Lehrerin einer neuen Zeit“ über Maria Montessori und „Interzonenjahre – ein Ost-West-Roman“.