Torten, Tanzen, Trällern
Die fabelhaft süße und bodenständige Welt der Jacqueline
Schwerin • Als Köchin im Neptunhotel Travemünde zu arbeiten, war seit der siebten Klasse ihr Traum. Doch dieser zerplatzte, denn ein medizinischer Checkup machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Die Diagnose lautete: Der Rücken ist nicht für diesen Beruf gemacht. Jacqueline Rothe entschloss sich, andere Brötchen zu backen und Konditorin zu werden.
Heute betreibt sie in Schwerin gemeinsam mit ihrem Mann eine Konditorei und zwei Cafés in der Innenstadt. Nebenbei tanzt sie auf weiteren Hochzeiten – zusammen mit ihren Mädels in der Band „7deLux“, für ihren eigenen Podcast oder mit Freunden auch mal ganz ungezwungen über den Dächern Schwerins. Dass sie als gebürtige Berlinerin nun schon seit 28 Jahren in Schwerin wohnt, verdankt Jacqueline Rothe der Konditoren- Meisterschule in Potsdam.
Hier lernte sie ihre große Liebe kennen. „Ich musste mir meinen Traummann nicht backen, sondern traf ihn beim Backen“, sagt sie lachend. Frank Rothe war gerade dabei, das Familienunternehmen zu übernehmen und schnappte sich sein persönliches Sahnestück dafür gleich mit. Zwei Jahre später wurde geheiratet, Sohn Martin kam auf die Welt. „Damals mit kleinem Kind und auch heute schätze ich an Schwerin einfach die kurzen Wege. Man ist so schnell im Grünen, fühlt sich gleichzeitig behütet, hat aber auch viele Möglichkeiten für Unternehmungen. Kein Wunder, dass so viele Schweriner zurückkehren“, sagt die 54-Jährige. Sie und ihr Mann sind bis heute ein Dreamteam – wie Zucker und Guss.
Ihre Cafés in der Innenstadt fühlen sich für sie an wie Wohnzimmer, egal ob bei der Schaumschlägerei in der Backstube oder beim Schnack mit Kunden an der reichlich bestückten Kuchentheke. Als „Hochstaplerin“ schichtet „Jacky“ auch schonmal mehrere Tortenböden aufeinander, wenn sie individuelle Kunstwerke für besondere Gelegenheiten zaubert. Rothe rotiert überhaupt gerne, fühlt sich wohl unter vielen Menschen, geht gerne aus und aus sich raus.
Vor etwa fünf Jahren tanzte sie gemeinsam mit ihren Freundinnen bei einer privaten Feier wieder auf dem Tisch und sang. Das hinterließ Eindruck – auch bei Axel Roller, der die Idee hatte, mehr draus zu machen. Die Frauenkombo „7deLux“ war geboren. Roller war es auch, der die Mädels nach einer längeren Pause aufgrund des Todes einer Freundin wieder zum Weitermachen motivierte.
Bis heute feilen sie gemeinsam an einer stimmigen Rezeptur und setzen auf professionelle Unterstützung. So trainieren sie zusammen mit Joachim Schlebusch von der gleichnamigen Tanzschule einmal wöchentlich ihre Choreografien – im Proberaum mit Spiegel. „Wir möchten uns alle wohlfühlen und nicht albern rüberkommen“, betont sie. Mittlerweile können die Damen mit ihren sechs Songs, darunter „Schwerin ist geil“ und die Hymne der Handballer der Mecklenburger Stiere, 20 Minuten auf der Bühne füllen. „Als eingefleischter Fan von Nena habe ich schon immer gerne gesungen, möchte aber besser werden“, sagt sie und erzählt von ihrem Gesangsunterricht am Konservatorium.
„Um mich selbst begleiten zu können, lerne ich gerade, Gitarre zu spielen.“ Bei all der Geschäftigkeit erfreut sie sich wie Amélie in ihrer fabelhaften Welt auch an den kleinen Dingen des Alltags. „Ich schöpfe ebenso Kraft aus ruhigen oder alltäglichen Momenten. Wenn etwa ein Vater mit seinem kleinen Kind kommt, das ganz stolz selbst bezahlt, wird mir warm ums Herz“.
Leise Töne schlägt sie an, wenn ihr Corona in den Sinn kommt. „Das ging uns allen nahe – viele schauten vor allem anfangs viel grummeliger drein. Dagegen wollte ich etwas tun.“ So entstand ihr Podcast „Schweineohr mit Sahne“, in dem sie sich menschelnd auf die Spuren des Alltags begibt – mit Gesprächspartnern buchstäblich im Kaffeesatz liest. Die Tafel draußen an der Wand vor ihrem Café in der Puschkinstraße füllt sie täglich mit kleinen Anekdoten oder Informationen zum jeweiligen Tag – etwa dem Geburtstag Barbies oder dem Geh-zu-Fuß-zur- Arbeit-Tag. „Damit die Leute, die Schlange stehen müssen, kleine Denkanstöße bekommen“, erklärt sie, bevor sie sich verabschiedet und in die Petrusgemeinde eilt. Seit Corona engagiert sie sich auch hier ehrenamtlich.
maxpress/Meike Sump