Sensibel ohne Samthandschuh

Nora Willenberg profitiert von individueller Therapie und Vernetzung der Abteilungen bei STOLLE

Früher ist sie 120 Kilometer in der Woche gejoggt und war Leistungssportlerin im Rudern. Heute trainiert Nora Willenberg für eine Fastenwanderung, bei der sie täglich 15 Kilometer Gehen bewältigen muss.
Nora Willenberg und ihr Therapeut Martin Seifert sind ein vertrautes Team. Die individuellen Einheiten sind erfolgreich, Fotos: maxpress

Schwerin • Früher ist sie 120 Kilometer in der Woche gejoggt und war Leistungssportlerin im Rudern. Heute trainiert Nora Willenberg für eine Fastenwanderung, bei der sie täglich 15 Kilometer Gehen bewältigen muss. Ihr Tag ist durchgetaktet, sie ist ehrgeizig und ehrlich – zu sich selbst und zu anderen. Das mag manchmal alles andere als bequem sein, doch wer mit Multipler Sklerose bequem wird, wird kaum die Oberhand behalten.

Sehr viel deutlicher hat das Neurotherapeut Martin Seifert formuliert, als Nora Willenberg vor rund zwei Jahren zum ersten Mal mit Rollator ins Neuroorthopädische Zentrum (NOZ) bei STOLLE gekommen ist. „Ich will dich nicht im Rolli erleben“, hatte er gesagt und das keinesfalls drohend, sondern motivierend gemeint. Der 31-Jährige weiß, dass allein regelmäßiges, zielorientiertes Training bei Multipler Sklerose Beeinträchtigungen auffangen kann. Und bei Nora Willenberg war er sensibel genug, um zu spüren, dass klare Forderungen genau das sind, was sie motiviert.

Die 57-Jährige fühlte sich sofort verstanden: „Einfache Physiotherapien reichen nicht. Das musste ich erkennen und habe mein Leben umgekrempelt.“ Martin Seifert bekam deshalb zu Anfang eine ebenso deutliche Ansage: „Ich habe ihm gesagt, dass er mir tief in die Augen gucken und ganz klar formulieren soll, dass ich jemanden will, der mich an meine Grenzen bringt und auch darüber hinaus. Manchmal tut das verdammt weh, aber genauso brauche ich das!“ Die Zwei müssen lachen, als sie das erzählt – und überhaupt sind sie ein eingespieltes Team. Das Vertrauen zwischen den beiden ist wesentlich, um sich in der Therapie wohlzufühlen, denn Nora Willenberg ist eitel. Ihre Körperform und -funktionen entsprechen nicht immer den Maßstäben, die sie selbst für sich hat. „Und manchmal, wenn Bewegungen nicht gelingen oder ich falle, dann könnte das eine entwürdigende Situation sein – ist es aber nicht. Weil Martin sich auf mich einstellt und mich auffängt, genauso wie alle anderen hier bei STOLLE auch.“

Das NOZ ist bestens vernetzt mit den Experten für Orthesen und der Reha-Technik. Wenn Nora Willenberg also Hilfsmittel zur Hand nimmt, sind sie ideal auf sie abgestimmt und werden bei Bedarf angepasst. „Sollten wir auf einen Schub reagieren müssen, können wir das optimal tun“, so Martin Seifert. Er hat mit seiner Expertise und Individualität in der Motivation dafür gesorgt, dass seine Patientin auch im Alltag trainiert. Der Billardtisch zuhause ist einer „Mucki-Bude“ gewichen, wie sie erzählt. Und sie treibt jeden Tag Sport. „Bevor ich hier herkam, war ich ganz schön abgeschmiert“, erzählt sie aufrichtig. „Jetzt dreht sich mein Leben darum, fit zu bleiben. Außerdem besinne ich mich auf das, was wirklich wichtig ist: Lebensfreude, Liebe, Lust.“

Nora Willenberg hat zu einer Akzeptanz ihrer Krankheit und ihres neuen Ichs gefunden. Sie hat unzählige Tests zu Reaktionszeiten, Kraftmessungen und Sturzübungen über sich ergehen lassen und stetige Verbesserungen festgestellt. Nun sieht die ehrgeizige Frau ein klares Ziel vor Augen, statt dem missglückten Start nach der Diagnose nachzuhängen: Sie will fit für die Fastenwanderung werden. „Wenn wir wissen, wofür wir trainieren, können wir noch viel individueller und präziser ansetzen“, so NOZ-Therapeut Martin Seifert.

Bei den täglichen Einheiten zuhause hat Nora Willenberg zwei enge Freunde – ihren Königspudel, der ihr in einer speziellen Tasche die Tasse Tee zu ihrer Lieblingsbank trägt, und die Armbanduhr von ihren Kindern. „Sie erinnert mich an Trainingszeiten, enthält eine Notruffunktion, falls ich zum Beispiel fallen sollte, und trackt mich auf Spaziergängen.“ So etwas zulassen zu können, ist ihr nicht leicht gefallen, doch es zahlt sich aus. Sie geht aufrechter – nicht nur körperlich, aber eben auch. „Ok, früher bin ich allen weggerannt und heute gehe ich. Aber ich stelle fest: Manch andere gehen mir mittlerweile zu langsam“, sagt sie stolz.

maxpress/jpl

Kraft, Ausdauer und die Freude am Erfolg sind für Nora Willenberg wesentlich
Kraft, Ausdauer und die Freude am Erfolg sind für Nora Willenberg wesentlich