101-Jährige lebt über fünfzig Jahre in der Schäferstraße
Eine Vorhersehung führte sie nach Schwerin
Feldstadt • Mit bunten Blumen und einem schönen Präsentkorb gratulierte die WGS Elsbeth Hoch. Die Mieterin macht nicht den Eindruck einer Frau, die erst kürzlich 101 geworden ist. Beim Gehen benutzt sie zwar einen Stock, aber sonst ist die Seniorin für ihr Alter recht mobil. Seit 1970 wohnt sie in dem Haus der WGS in der Schäferstraße. Dass Elsbeth Hoch nach Schwerin gekommen ist, sei eine Vorhersehung gewesen, sagt sie.
„In der alten Heimat in Schlesien gab es an den Wänden des Bahnhofs Wandgemälde von Schwerin. Darauf waren das Schloss und der See abgebildet. Darunter stand der Text ,Schwerin, die Stadt der Seen und Wälder´ – das hatte mich fasziniert“, sagt sie lächelnd. Der Anlass, in die heutige Landeshauptstadt zu kommen, war allerdings ein Schicksalsschlag. Der zweite Weltkrieg zwang die Familie Hoch, aus Schlesien zu flüchten. „Mit dem Treck und nur dem, was wir auf dem Leib trugen, ging es in Richtung Westen“, erzählt die WGS-Mieterin. „Das war furchtbar!“ Umso glücklicher war die Familie, als sie nach Kriegsende und Stationen im Spreewald und Berlin in Schwerin landete.
Im dortigen Kleiderwerk fand Elsbeth Hoch eine Arbeit und zertrennte Wehrmachtsuniformen, um daraus Jacken und Hosen herzustellen. Später wechselte die junge Frau vom Nähtisch an die Schreibmaschine des Kulturbundes. Hier konnte sie ihre Leidenschaft zu Büchern sogar im Beruf ausleben und lernte beispielsweise den Schriftsteller Willi Bredel kennen. Zwanzig Jahre arbeitete sie im Kulturbereich, um dann in die Verwaltung der Landeshauptstadt und den Finanzbereich zu wechseln – das war 1965.
Da Elsbeth Hoch in der Wohnungskommission tätig war, saß sie bei der Vergabe von Wohnungen an der Quelle. Durch einen Wohnungstausch zog sie 1970 in das Haus in der Schäferstraße. „Hier habe ich zuerst eine schöne Dachgeschosswohnung gehabt.
Als ich 1980 Rentnerin wurde, bin ich runter in die erste Etage gezogen“, erzählt die über Hundertjährige und schaut in den Hof des Hauses. Hier stehen Tannen, die die Seniorin in den 70er-Jahren als Setzlinge aus der Tschechoslowakei mitgebracht hat. Heute haben die Bäume dicke Stämme und überragen fast das Haus. Elsbeth Hoch freut sich, dass sie über Jahrzehnte eine gute Zeit mit einer prima Hausgemeinschaft verleben konnte. Sie ist glücklich, dass ihre Nachbarin immer mal wieder nach ihr schaut und hilft, wenn es nötig ist.
maxpress/Steffen Holz