Weinberg an historischer Stelle

Schweriner Unternehmer pflanzt auf der Halbinsel Krösnitz über 2.000 Reben mit nachhaltigem Konzept an

Weinanbau in Schwerin? Ja, die Stadt blickt sogar auf eine über 800-jährige Weingeschichte zurück. „Schuld“ waren die Zisterzienser-Mönche, die sich im 13. Jahrhundert in Mecklenburg angesiedelt und auch die „Weinberge zu Schwerin“ angelegt hatten.
Harald Fuchs (l.) und Axel Kämmerer inspizieren „ihren“ Weinberg, Foto: maxpress

Krösnitz • Weinanbau in Schwerin? Ja, die Stadt blickt sogar auf eine über 800-jährige Weingeschichte zurück. „Schuld“ waren die Zisterzienser-Mönche, die sich im 13. Jahrhundert in Mecklenburg angesiedelt und auch die „Weinberge zu Schwerin“ angelegt hatten. Alten Karten von 1784 zufolge befanden sich diese auf der Halbinsel Ostorf und rund um den Wasserturm Neumühle, dem höchsten Berg Schwerins. Axel Kämmerer betreibt sein Ingenieurbüro unweit des historischen Standortes auf der Krösnitz und belebt die alte Tradition neu – mit ökologisch orientiertem Anbau von Weintrauben in enger Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde.

Auf der Suche nach einem neuen Bürogebäude hatte er 2012 das Gelände der Alten Postschule an der Stadionstraße gekauft. Bis dato genoss er zwar dann und wann ein gutes Glas Wein, hatte mit der Verarbeitung von Trauben zu edlen Tropfen jedoch rein gar nichts am Hut. Als er an einem sonnigen Tag im Sommer 2013 mit seiner Frau spazieren ging und die Gegend erkundete, wurde er auf das Areal aufmerksam. „Mensch, das könnte ja glatt ein Weinberg sein“, sinnierte er damals, ohne zu wissen, dass dem wirklich so gewesen war. „Das habe ich wirklich erstmal nur so dahingesagt – ohne jegliche Ambitionen.“

Als ehrenamtlicher Naturschutzwart im Siebendörfer Moor tauschte er sich regelmäßig mit Harald Fuchs von der städtischen Naturschutzbehörde aus und sprang mit seinen Mitarbeitern ein, wenn Schnitt- oder Mäharbeiten auf gesetzlich geschützten Feuchtwiesen gefragt waren – so auch auf besagtem Gelände. Zu DDR-Zeiten landwirtschaftlich genutzt, wurde es 1991 in eine Ackerbrache umgewandelt und diente als Ausgleichsfläche zum Bebauungsplan „Dorflage Krebsförden“. Auf der Suche nach einer ackerbaulichen Nutzungsform im Einklang mit dem Naturschutz fand sich lange kein geeigneter Pächter. Axel Kämmerer und Harald Fuchs kamen schließlich selbst auf die ungewöhnliche Idee, Wein unter ökologischen Bedingungen anzubauen. „Ich habe mich eher blauäugig in das Projekt gestürzt. Dass daraus wirklich etwas wird, hätte ich nicht gedacht“, so Axel Kämmerer. Lächelnd ergänzt er: „Ich bin ja dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kinde und musste mich erstmal einfuchsen.“

Als letzte formelle Hürde beantragte er für seine Rebstöcke die offiziellen Weinrechte bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung – ein notwendiger Schritt ab einer Menge von 99 Weinstöcken. Schneller als erwartet flatterte die Genehmigung in den Briefkasten. Damit war der endgültige Startschuss gefallen. Er fing an zu recherchieren, horchte beim Mecklenburger Weingut Schloss Rattey nach, suchte nach Referenzbetrieben, die schon mehr Erfahrung in ökologischem Weinbau gesammelt hatten. Die jungen Schweizer Winzer vom Videoblog „Mit Herzblut zum Wein“ brachten ihn auf den Trichter, dass auch in seinem Weinberg irgendwann mal Kamerunschafe die überflüssigen Blätter abfressen sollen – dass es zehn Tiere für einen Hektar braucht, ist schon geklärt.

Eine Rebschule aus Rheinhessen lieferte im Frühjahr 2020 die ersten Reben. Mit Solaris und Muscaris hatte der Hobbywinzer Sorten ausgewählt, die perfekt auf die klimatischen Bedingungen hierzulande abgestimmt sind. Axel Kämmerer trommelte sein Team zusammen und machte aus der Pflanzung der Weinstöcke kurzerhand ein Firmenevent. Mittlerweile ist etwa ein halber Hektar bestückt – mit einem „Zeilenabstand“ von 2,60 Meter statt der üblichen 1,80 Meter. So schreiben es die ökologischen Richtlinien vor, damit sich die ackerbegleitenden Kräuter entfalten können. „Spannend wird, wie genau wir uns die Kräuter gegen Schädlinge zunutze machen können“, erklärt der agile 54-Jährige.

Ab kommendem Jahr sollen insgesamt etwa 2.600 Rebstöcke auf dem Weinberg angepflanzt sein. Bis zur ersten Lese dauert es – Weinstöcke wachsen erst verstärkt in die Tiefe, bevor sie nach etwa drei bis vier Jahren in die Höhe schießen und ergiebig werden. Was Axel Kämmerer aus der ersten Ernte zaubern lässt, bleibt noch ein Geheimnis. „Bis dahin und überhaupt steht der Naturschutz im Vordergrund“, lautet das eindeutige Credo. Dass pro Rebstock rund zwei Flaschen Wein herausspringen, hat er jedoch schon in Erfahrung gebracht.

Meike Sump

Blick aus der Vogelperspektive auf den Weinberg auf der Krösnitz, Foto: UGK

Referenzbetrieb Weingut Rattey

Seit 1999 baut Mecklenburg-Vorpommerns größtes Weingut erfolgreich Wein an. Auf derzeit 20 Hektar mit rund 100.000 Reben gedeihen die Trauben für den rechtlich geschützten „Mecklenburger Landwein“. Ziel ist ein Wachstum auf 35 Hektar bei einem Ertrag von über 200.000 Flaschen.

Die weiße Traube Solaris im Anbau

Solaris ist eine verhältnismäßig junge Weißweinsorte. Sie wurde 1975 neu gezüchtet und zählt zu den pilzwiderstandsfähigen Trauben. Die Früchte gelten als frostfest und anspruchslos in der Lagerung. Früh in Blüte und Reifegrad, liefern die Beeren fruchtig-duftige Weine, trocken oder als Dessertweine ausgebaut.

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