Alltag in und nach der DDR
Ronny Pärisch war als Kind Teil einer westdeutschen Dokumentation
Schwerin • Ob er gedacht hätte, dass er mit 47 Jahren noch einmal ein Kino-Kinderstar werden würde? Wahrscheinlich nicht. Ende August flackerte Ronny Pärisch im Film „Alltag in der DDR – Familie Sobottka“ als Sechsjähriger, noch mit seinem Geburtsnamen, über die Leinwand des Open Air-Kinos am Fernsehturm. An die Dreharbeiten erinnert er sich noch gut. „Das war spannend“, erzählt er heute. Allerdings waren im Umfeld nicht alle begeistert.
Vater, Mutter und zwei Söhne waren – so der Sprecher in der westdeutschen Produktion – unter einer von vielen Familien ausgewählt worden, die das Pressezentrum der DDR vorgeschlagen hatte. Als „keine Paradefamilie mit Aktivistenorden“, sondern als eine „loyale Arbeiterfamilie“ wurden die Sobottkas beschrieben. Beide Eltern arbeiteten im Kabelwerk, der Vater war als Sportler zudem Repräsentant der DDR gewesen. Aber: „Dass das Westfernsehen solche Einblicke in das DDR-Leben bekam, war manchen nicht geheuer“, sagt Ronny Pärisch rückblickend. Auf der buchstäblich anderen Seite gab es positive Resonanz.
„Verwandte aus dem Westen haben uns 1981 den Zeitungsschnipsel mit der Programm- ankündigung fürs Fernsehen geschickt“, blickt der 47-Jährige zurück. „Und eine Schule aus Wuppertal schrieb uns sogar einen Brief, lobte uns als tolle Familie und erzählte, dass der Film im Unterricht gezeigt würde.“ Aus heutiger Sicht ist der 40-Minüter ein Stück Zeitgeschehen, auch in Ronny Pärischs ganz persönlicher Lebensgeschichte. „Die meisten in meinem Alter haben nur Schwarzweiß-Fotos von sich als Kind. Ich habe Bewegtbild in Farbe“, sagt er (Foto u.l.).
Das gilt auch für zehn Jahre später, denn 1991 wurden die Sobottkas nochmals gefilmt, – da ging es um die Zeit nach der Wende. Wer Ronny Pärisch heute kennenlernt, wird eher nicht um diese Filmvergangenheit wissen. Vielmehr ist er den meisten als Inhaber des Handy Servicepoints (Foto rund) in der Wittenburger Straße bekannt: Der gelernte Gas-Wasser-Installateur beschloss als junger Erwachsener, dass der Ausbildungsberuf nicht die Berufung fürs Leben sein sollte. „Ich wollte mehr mit Menschen arbeiten, mehr kommunizieren“, sagt er. Also machte er eine Umschulung zum Servicetechniker für einen Handy- Anbieter und beschloss einige Jahre später, sich selbstständig zu machen. „Ich wollte aus Berlin zurück nach Schwerin“, so Ronny Pärisch.
„Also habe ich mich schlau gemacht, wie der Bedarf aussieht und dann den Laden binnen drei Monaten eröffnet.“ An der Selbstständigkeit schätzt er die Flexibilität und die Veränderung. „Früher mussten wir sämtliche Software-Updates fahren – das konnten Kunden nicht selbst. Dafür ging nichts kaputt, wenn so ein Handy-Knochen mal runterfiel. Heute sind Displayschäden an der Tagesordnung, aber die Software erneuert sich von allein.“
Die Freude an Veränderung gehört auch zum Familienleben. Am eigenen Haus ist immer etwas zu tun. Der Vater von zwei Kindern interessiert sich für Architektur, ist handwerklich geschickt und hat nach Aussage der Nachbarn „immer ein Projekt“ – sei es im Garten (Foto u.r.), eine neue Treppe im Haus oder ein Zimmertausch für die Kinder.
„Es sich so schön zu machen, wie man es gerne haben möchte“, das ist es, was der 47-Jährige genießt – vielleicht umso mehr, weil er seit einem Erlebnis am 26. Januar 1998 das Leben ganz besonders schätzt: Da wurde er nämlich angeschossen, in der damaligen Booze Bar. Die Kugel – aus einem Auto heraus durch die Scheibe abgefeuert – galt wohl dem Barbesitzer, traf allerdings Gast Ronny Pärisch, streifte seinen Hals und blieb in der Schulter stecken. „Als im Laden jemand rief, dass es einen Verletzten gebe, wusste ich zunächst gar nicht, wer gemeint ist“, erinnert er sich. „Alles ging so schnell.“
Die Wochen danach waren von Angst geprägt. „Ich habe Autos mit dunklen Scheiben beäugt und mich oft umgesehen. Aber dann kam ein unglaubliches Glücksgefühl, dass ich das überlebt habe.“ Zum Jahrestag geht er deshalb immer in die Kirche und zündet eine Kerze an, aus Dankbarkeit. „Ich bin überhaupt nicht religiös, aber wer weiß? Irgendwie ist da oben vielleicht etwas.“
maxpress/Janine Pleger