Kaufrausch im Kaufhaus
Ein Nachruf auf eine nie hier gewesene Warenhauskette
Altstadt • Die 90er – das war das Jahrzent von Neuorientierung, Loveparade, Techno und bauchfreien Tops, aber auch das goldene Jahrzehnt großer Einkaufszentren und Kaufhäuser. Da war Schwerin als Landeshauptstadt natürlich als Standort von besonderem Interesse. Das hat sich – neben vielen anderen – anscheinend auch die Geschäftsführung der Warenhauskette Kaufhof gedacht, als sie im August 1990 einen Entwurf für eine neue Filiale bei der Stadtplanung eingereicht hat.
Nahe beim Marienplatz, in dem Karree, in dem sich heute die Marienplatz Galerie befindet, wollte Kaufhof einen eigenen Konsumtempel errichten. Von edlen Uhren, über Sport- und Spielzeugartikel für die großen und kleinen Kinder Schwerins bis hin zu weißen Porzellanträumen wäre der Vielfalt kein Ende gesetzt gewesen. All das hätte sich unter einem gemeinsamen Dach in der Innenstadt vereint – und was für ein Dach! Nach den Entwürfen vom Architekturbüro Prof. Scheuermann, Flender und Partner sollte sich der moderne Gebäudekomplex perfekt in das Karree einfügen.
Das Hauptgebäude wäre an der Ecke Helenenstraße/Mecklenburgstraße errichtet worden, wo sich heute der Asia Markt und die Targo Bank befinden. Vom Keller- bis zum Dachgeschoss war es auf insgesamt sieben Ebenen angelegt – alle mit unterschiedlichen Funktionen und teils eigenen Designs. Im Erdgeschoss sollten einzelne Shops zum gemütlichen Bummeln einladen. Wer nach einer langen, erfolgreichen Shoppingtour die müden Füße ausruhen und die prallgefüllten Taschen von sich werfen wollte, hätte direkt nebenan in der Gastronomie Erholung gefunden. Vom erfrischenden Eis an warmen Sommertagen bis zum deftigen Schnitzel nach dem kräftezehrenden Einkauf wäre wohl für jeden Geschmack etwas dabei gewesen. Dazu hätten die Restaurants im Dachgeschoss auch noch einen wunderschönen Ausblick über die Dächer der Landeshauptstadt geboten.
Für alle, die zur Erholung auch etwas mehr Ruhe suchen, und diejenigen, die sich die Sonne auf die Haut scheinen lassen wollen, hätten die Cafés und Bistros im Innenhof ein Refugium geboten. Sie sollten in einem imposant verglasten Gebäude eingerichtet werden, sodass die Besucher sowohl drinnen als auch draußen hätten speisen können. Und wer sich der Versuchung des Shoppens gar nicht erst aussetzen wollte, der wäre direkt über eine Passage vom Marienplatz oder der Mecklenburgstraße aus in den Innenhof gelangt. So auch die Lieferanten, die einen eigenen Zugang über die Martinstraße hatten und ein Lager im Innenhof, hinter dem Glasbau.
Auf den weiteren Gebäudeetagen sollten neben Verkaufsflächen auch einige Büros und die Verwaltung einen Platz finden. Doch im Endeffekt bekam Kaufhof, das wir heute unter dem Namen Galeria Karstadt Kaufhof kennen, keinen Zuschlag und es ergab sich ein anderes Stadtbild.
Reica Lindner