Der Entzug tut weh

Lemmi Lembcke vermisst die Bühne und sein Publikum

Er trägt Arbeitshose, Schuhe mit Stahlkappe und Strickpullover. Andreas Lembcke sitzt da, wo er in den vergangenen Jahren am liebsten war: Auf der Bühne. Doch im Jahr 2021 ist die Bühne nicht das, was sie einmal war.
Comedian Lemmi Lembcke wartet auf den ersten Auftritt nach dem Lockdown, Foto: maxpress

Schwerin • Er trägt Arbeitshose, Schuhe mit Stahlkappe und Strickpullover. Andreas Lembcke sitzt da, wo er in den vergangenen Jahren am liebsten war: Auf der Bühne. Doch im Jahr 2021 ist die Bühne nicht das, was sie einmal war. Aus den Brettern, die die Welt bedeuten, sind heute Bretter geworden, von denen kalte Luft herüber weht, weil sie aufgrund der Pandemie nicht bespielt werden dürfen – so wie die seiner Lieblingsbühne im Werk3.

Seit mehr als einem Jahr hat Lemmi Lembcke – wie er sich als Künstler nennt und in der Stadt bekannt ist – kaum noch Auftritte gehabt. An einen der wenigen erinnert sich der Schauspieler dennoch. „Im Januar wurde ich für eine private Feier gebucht. Willi hieß der Mann, bei dessen 70. Geburtstag ich auftreten sollte. Wegen des Mindestabstandes habe ich auf der Terrasse des Hauses in Richtung Wohnzimmer gespielt. Meine Zuschauer: Willi und seine Frau. Das war schon skurril“, erzählt der Comedian lachend.

Zehn Kilo hat Lemmi Lembcke in der Zeit der Pandemie abgenommen. Ob das durch Frust oder eine Diät passiert ist, verrät der 56-Jährige nicht. Auf jeden Fall sind die Hilfen, die es für Soloselbstständige gab, bei ihm rechtzeitig angekommen. „Was diese nicht verhindern können, ist das Gefühl, als Künstler auf Entzug zu sein. Umso mehr hab ich mich gefreut, seit ein paar Wochen wieder Theaterluft zu schnuppern – wenn auch nur als Aushilfe in der Bühnentechnik.“ Hier verdient der Vater eines fünfjährigen Mädchens im Moment regelmäßig Geld. Nebenbei schreibt er Texte, notiert Ideen aus dem Alltag, die er in seine Comedy-Programme einfließen lässt und hofft, dass die Bühnen bald wieder öffnen dürfen.

Dass Lemmi Lembcke Schauspieler geworden ist, war eher Zufall. In Ludwigslust geboren und aufgewachsen wollte er ursprünglich Fotograf werden. „Beim Bewerbungsgespräch sagte mir der Ausbilder, dass mit einer Drei in Chemie die Chancen für diesen Beruf nicht so gut stünden. Damals dachte ich: ,Okay, dann werde ich eben Koch. Da hast du einen warmen Arbeitsplatz, es gibt immer etwas zu essen, könnte doch Spaß machen‘“, erinnert sich der Lebenskünstler.

Vier Jahre lang kochte sich Lemmi Lembcke durch die Hotellerie von Ludwigslust, arbeitete an der Raststätte Stolpe, um nach der Wende im Queens-Hotel in Bremen zu landen. Während dieser Zeit mit Dreischichtsystem und Wochenendarbeit schrieb Lemmi Lembcke trotzdem die ersten Lieder für Singeclubs und Karnevalsvereine. Außerdem legte der junge Mann als DJ mit C-Klasse-Einstufung in den Diskotheken des Landes auf – sehr oft auch im Zippendorfer Strandhotel.

Im Bremer Queens-Hotel entschied sich seine Zukunft. „Da gab es ein Mädel, das ein Vorsprechen an der Schauspielschule hatte. Sie hatte mich gebeten, sie zu begleiten. Ich bereitete mich ebenfalls vor und das Ergebnis war wie in einem Film: Sie fiel durch, ich wurde angenommen. So lernte ich Schauspiel in Bremen.“

Um das Studium zu finanzieren, arbeitete er als Gärtner, Koch oder Kraftfahrer. 1993 gestaltete Lemmi Lembcke seinen ersten Soloabend, wofür er den Delmenhorster Kleinkunstpreis gewann. Was folgte, waren zwei Jahre im Fritz-Reuter-Ensemble und 13 Jahre Arbeit am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin. Zu seinen Lieblingsstücken zählt der Schauspieler heute seine Rollen in „Comedian Harmonists“ oder „Producers“. Die größte Bekanntheit und den höchsten Wiedererkennungswert erlangte der Künstler durch seine Stimme in der „Rocky-Horror-Picture-Show“.

Seit 2016 ist Lemmi Lembcke selbstständig und durch seine ausverkauften Programme im Werk3 – zusammen mit Dirk Audem – Kult geworden. Die Texte stammen aus seiner Feder, genau wie die für zwei Kochshows und ein Theaterstück, die er dort aufgeführt hat. An einem zweiten Stück und einem weiteren Buch schreibt er gerade.

„Wenn Corona das abnickt, kann man mich am 12. Juni mit meinem Soloabend ,Glühwürmchen & Currywurst‘ im Schleswig-Holstein-Haus erleben“, so der Wunsch des Künstlers.



maxpress/Steffen Holz

Lemmi Lembcke spielte oft vor ausverkauftem Haus im Werk3
Lemmi Lembcke spielte oft vor ausverkauftem Haus im Werk3, Foto: maxpress
Einer seiner Auftritte mit Soloprogramm im Werk3
Einer seiner Auftritte mit Soloprogramm im Werk3, Foto: privat