Reden über Gott und die Welt
Anne-Kathrin Schenk erlebt ihre Heimatstadt immer wieder neu
Lankow • Gemeinschaft erleben – das hat für Anne-Kathrin Schenk einen hohen Stellenwert. Singen, musizieren und Gespräche führen sind elementarer Bestandteil des, nicht nur beruflichen, Alltags der jungen Pastorin, die nach ihrem Studium gern in ihre Heimatstadt Schwerin zurückkehrte. Sie liebt Begegnungen und den Austausch, erkundet die Gemeinde und ist für Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen da. Heutzutage geschieht das zwangsläufig mit Abstand, aber immer mit ganzem Herzen und einem Lachen.
„Ich bin ein Kind vom Dreesch“, sagt Anne- Kathrin Schenk mit ehrlicher Begeisterung. Gern denkt sie zurück an die Zeit im Plattenbauviertel. Der Block, in dem sie aufwuchs, steht längst nicht mehr. Von dort eröffnete sich damals ein schöner Blick zum See. Immer fanden sich Kinder zum Spielen und auch jemand, der mal aufpasste. Die Gemeinschaft war einfach schön. Sie gab Geborgenheit. Dieses Gefühl erlebte die heute 38-Jährige auch im Bauernhaus ihrer Großeltern. Pogez bei Carlow steht als Inbegriff für Freiheit: Barfuß lief das Mädchen durch den Garten, hin zum eigenen Beet, welches der Opa angelegt hatte. „Er besaß so viele Bücher und vermittelte mir den Eindruck, dass diese etwas ganz Wertvolles sind. Meine Freude an Literatur hat sicher hier ihre Wurzeln“, vermutet die zierliche Frau die zu gern mit ihren beiden Töchtern nahezu andächtig lauscht, wenn ihr Mann der Familie vorliest. Die Schenks musizieren auch gemeinsam. „Ich bekam schon zum vierten Geburtstag eine Blockflöte.
Ab der ersten Klasse lernte ich am Konservatorium, dieses Instrument zu beherrschen. Später gesellte sich die Oboe dazu.“ Hinzu kam der Wunsch auf, ganz und gar in der Musik aufzugehen und ein entsprechendes Studium zu belegen. Als fördernd erwies sich die Zeit am Schweriner Goethe-Gymnasium. Spielen im Orchester, Singen im Chor – erneut prägte die Gemeinschaft die junge Schwerinerin. Das geschah ebenfalls im Konfirmandenunterricht, wo vielleicht erstmals unterschwellig die Sehnsucht wuchs, Religion auf gänzlich andere Art kennen zu lernen. „Und deshalb habe ich die Oboe für ein halbes Jahr in die Ecke gestellt und einfach angefangen, Theologie zu studieren.“ Das fühlte sich richtig an und ist bis heute so geblieben.
„Obwohl die wissenschaftliche Auseinandersetzung einen schon zwingt, den eigenen Glauben ziemlich mühevoll neu zu ordnen“, sagt die Predigerin, die nicht auf der Kanzel steht, sondern vorm Altartisch und am liebsten vor vielen Gemeindemitgliedern im modernen Bau der Versöhnungskirche in der Ahornstraße. Hier machte sie ein Praktikum und fand 2015 ihre erste Anstellung. „Es ist wirklich schön, Menschen begleiten zu dürfen.“ Manchmal entflieht Anne-Kathrin Schenk dem Alltag, der so viele Begegnungen zählt.
Per Rad erkundet sie vom Pfarrhaus nahe der Lankower Berge das Gemeindegebiet und die Heimatstadt. Sie genießt die Stille des einzigartigen Zusammenspiels von urbanem und naturbelassenem Lebensraum. „Gerade dann wünsche ich mir aber auch die Wuseligkeit des Alltags zurück. Zum Beispiel, wenn viele Menschen in der Stadt unterwegs sind, die ich vom Straßencafé aus beobachten kann.“
Die Pandemie hat viel verändert. Das persönliche Aufeinandertreffen fehlt. Gottesdienste feiert die Gemeinde per Live-Stream oder mit so viel Abstand, dass es sich fast schon fremd anfühlt. Anne-Kathrin Schenk beobachtet Vereinsamung und hält mit ganzer Kraft dagegen. Getestet und mit Mundschutz schenkt sie kranken Menschen Aufmerksamkeit. Sie begleitet letzte Wege und versucht, Würde zu bewahren. Das geschieht meist sehr leise. „Dabei rede ich so gern. Gespräche mit unterschiedlichsten Menschen sind unglaublich bereichernd. Jeder Tag bringt Neues. Das empfinde ich als Geschenk.“
Wenn es nicht anders geht, spricht die Pastorin mit den Eltern der Konfis eben per Video-Schalte. Sie findet es inzwischen angenehm, im Anschluss nur wenige Schritte in die eigene Küche zu haben, in der die Familie beim Kochen und Essen den Tag beschließt.
Barbara Arndt