Die Lust am Entdecken
Sannah Wagner und ihr Mann führen ein Leben für die Bücher
Schwerin • Ihre Geschichte sei ganz klassisch, sagt sie über sich selbst. Doch wer sich mit Sannah Wagner unterhält, bekommt das Gefühl, einer außergewöhnlichen Frau gegenüberzustehen. Die 49-jährige Buchhändlerin ist eine Person, die viel über das Leben reflektiert und dabei gleichzeitig ein wahres Feuerwerk an Energie versprüht – besonders, wenn es um ihre große Leidenschaft geht: die Welt der Literatur.
Gemeinsam mit ihrem Mann führt Sannah Wagner seit 2015 die Buchhandlung „Ein guter Tag“ in der Schweriner Innenstadt. Sie selbst sei schon immer eine Leseratte gewesen, neben der Belletristik ist die Jugendliteratur ihre heimliche Leidenschaft. Damit hatte sie auch ihren Mann Axel schnell begeistert, als sie sich vor mehr als 30 Jahren kennenlernten. Damals lebten sie noch in Hamburg. Doch dann kam der Zeitpunkt, an dem sie sich verändern wollten: 2003 zogen sie nach Mecklenburg- Vorpommern, wo sie nun besonders die Ruhe und Weite auf dem Land genießen.
Nach der räumlichen Veränderung folgte die berufliche: „Als wir 40 geworden sind, haben wir gesagt: ,Wenn nicht jetzt, wann dann?‘ Also haben wir beide eine Ausbildung zum Buchhändler über einen Fernlehrgang gemacht“, erinnert sich Sannah Wagner. Es war stets ein gemeinsamer Weg, über den Sannah Wagner und ihr Mann nicht nur ihren jetzigen Beruf, sondern vor allem auch ihre Berufung gefunden haben. „Wir wollten von Anfang an einen Laden haben, der sich wie Nachhausekommen anfühlt, und alles in das Zeichen des Buches setzen“, schwärmt Sannah Wagner. „Uns war klar, wir konnten im Vergleich zu dem Bestseller-Angebot großer Buchhandlungen nur mit Büchern punkten, die kleine Entdeckungen sind.“ Dabei ist es ihnen wichtig, dass jeder Titel von mindestens einem im Team angelesen wird.
Auch der ökologische Grundgedanke ist Teil ihres Konzepts. Am Anfang haben sie die Bücher nur mit Packpapier eingeschlagen, aber zu Weihnachten war ihnen das dann doch etwas zu nackt. „Also haben wir uns auf unsere Stempelsammlung besonnen. Manchmal sehe ich Dinge und denke, sie könnten für irgendetwas gut sein“, berichtet Sannah Wagner lachend. „Generell sind wir schon kreativ unterwegs. Mein Mann ist gelernter Grafiker, ich habe als Texterin gearbeitet. Entsprechend wird bei uns alles selbst gestaltet, ob unsere Hochzeitseinladung oder die Vorstellungstexte für die Bücher im Fenster. Auch unser Logo und Marketing haben wir selbst entwickelt. Privat schreibe ich für die Schublade, doch leider ist dafür nur wenig Zeit – das Schreiben ist ein Prozess, den man nicht zwischendurch macht.“
Für Erholung bleibt in der Selbständigkeit generell nur wenig Zeit. Zum Ausgleich gehen die Buchhändler dann gerne mit Hund Frederick im Wald spazieren. Auch wenn die Runden etwas kleiner geworden sind: Der „alte Herr“ ist mittlerweile schon 16 Jahre alt und ruht sich auch im Laden gerne aus (Foto unten). Einmal im Jahr machen sie aber auch richtig Urlaub, für zwei bis drei Wochen. Dann packen sie einen Koffer komplett voll Bücher und gönnen sich Entspannung pur: „Wir müssen uns nicht dauernd bewegen, Klippen erklimmen oder aus irgendwas rausspringen“, sagt Sannah Wagner lachend. „Wir wollen uns dann einfach nur dem eigenen Rhythmus hingeben.“
Auch an freien Tagen widmet sie sich nur noch Dingen, die ihr Spaß machen. „Verschwende ich meine Zeit, wenn ich einen Tag mal nur Netflix anmache?“, stellt Sannah Wagner die rhetorische Frage. Sie hat es aufgegeben, ständig produktiv sein zu wollen. „Wir leben in Zeiten, in denen alles einen Sinn und Zweck erfüllen muss. Bei dem ganzen Überangebot fühlt man sich schon genötigt, alles in Anspruch nehmen zu müssen. Ich habe für mich entschieden, dass es auch ohne geht.“ So genießt sie auch gerne mal allein die Stille oder hört Musik, die für sie ebenso den Blick in eine andere Welt darstellt wie Bücher. Darum ist Sannah Wagner eine ebenso leidenschaftliche Konzertgängerin wie Leseratte.
Sie freut sich immer über Neuentdeckungen aus dem Bereich Folk und Indie-Rock: „Ich hoffe, dass ich bis ins hohe Alter stets in jede Richtung so offen für Neues bleiben werde.“
maxpress/Reica Lindner