Straßenbahn erobert Dreesch
Ausbau der Strecke von der Innenstadt bis zur Hegelstraße beginnt Anfang der 1970er-Jahre
Schwerin • Eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist für viele Menschen einer der Gründe, warum sie gerne im Stadtteil Großer Dreesch, Neu Zippendorf oder Mueßer Holz wohnen. Heute fahren gleich drei Straßenbahnlinien mehr als 150 Mal am Tag zur Endhaltestelle „Hegelstraße“. Vor fast 50 Jahren wurden die Weichen für diese gute Vernetzung gelegt.
Ab 1971 erfuhr Schwerin durch das Industriegebiet „Schwerin-Süd” und die damit verbundene Stadterweiterung durch die drei Neubaugebiete auf dem Dreesch einen echten Entwicklungsschub. Für die Beförderung der Arbeiter zwischen dem Wohngebiet und dem Arbeitsort war ein leistungsstarkes Massenverkehrsmittel notwendig. Die Lösung war denkbar einfach: Der Bau einer Straßenbahn vom Platz der Jugend bis zum Ortsteil Consrade.
„Im Dezember 1972 hat man damit begonnen, die Verbindung vom Püsserkrug bis zur neuen Straßenbahnbrücke aufzuschütten, um die Schienen so parallel zur Straße zu führen“, sagt Wolfgang Block, Pressesprecher beim Nahverkehr. Im Januar 1973 folgte der Baubeginn an der Wendeschleife am Bosselmannweg. Diese wurde am 6. Oktober 1974 eingeweiht – mit ihr die Strecke Lankow-Dreesch und die Haltestelle „Stauffenbergstraße”. Erstmals fuhr eine Straßenbahn von der Innenstadt zur Haltestelle „Zentrum“ im Bauabschnitt Dreesch II. Die Gesamtfahrzeit betrug 29 Minuten von Lankow bis zur Haltestelle „Zentrum”. „Die Haltestellen konnten durch Unterführungen und in Ostorf über eine Brücke erreicht werden. Der Fahrgast brauchte an keiner Haltestelle das Gleisbett kreuzen“, lobt Wolfgang Block die Planer von damals.
Ab Oktober 1979 konnten schließlich auch alle Arbeiter, die im Industriegebiet Schwerin-Süd tätig waren, mit der Straßenbahn vom Großen Dreesch nach Neu Pampow fahren. Fast zeitgleich wuchs das Neubaugebiet mit dem Dreesch III weiter – der Ansporn war, die ursprünglichen Pläne einer Straßenbahntrasse bis zum Ortsteil Consrade zu vollenden. Am 7. April 1984 war es endlich soweit und die Straßenbahn fuhr erstmals von „Zentrum” bis „Hegelstraße”. Harald Pickut erinnert sich: „An dem Wochenende war ganz schön was los – mit zusätzlichem Schienenersatzverkehr bis Zentrum, oder Berliner Platz, wie es heute heißt. Aber damals hat man das nicht als so bedeutend wahrgenommen.“
Der heute 67-Jährige hat mehr als 40 Jahre für den Schweriner Nahverkehr gearbeitet. Als Straßenbahnfahrer verbrachte er viel Zeit auf dem Dreesch. Dadurch habe er den Wandel der Stadtteile gut beobachten können. „Überrascht war ich zum Beispiel besonders vom Umbau am Berliner Platz. Auch die Stauffenbergstraße, an der es einst Unterführungen gab, und der Dreescher Markt als kleine Flaniermeile sind gut gelungen.” Dass der Dreesch nach der Wende in Verruf geraten sei, könne er nicht verstehen. „Das ist sehr schade. Es gibt dort so viele tolle Menschen, die sich engagieren. Deshalb kann ich mir auch gut vorstellen, dass der Dreesch eine Renaissance erfährt und wieder ein beliebter Stadtteil wird – nicht nur bei den Schwerinern, die schon dort leben.“
Seit zwei Jahren ist Harald Pickut in Rente und ein ganz besonderes To-do steht noch auf seiner Liste: „Ich will endlich mal ins Feuerwehrmuseum. Ich kenne die Halle am Fernsehturm ja noch von vielen Veranstaltungen. Die Ausstellung dort soll sehr schön sein. Den Besuch habe ich mir fest vorgenommen.“
maxpress/ml
BU2: Harald Pickut, ehemaliger Straßenbahnfahrer