Pflege in Not
Die Finanzierung durch die Krankenkassen bedroht die Existenz von Pflegediensten
Großer Dreesch • Besorgte Mienen sind bei der AWO-Geschäftsführung, der Pflegebereichsleitung und der Chefin der AWO-Sozialstation zu sehen. Die Häusliche Krankenpflege hat Probleme. Die Finanzierung durch die Krankenkassen bedroht die Existenz von Pflegediensten nicht nur bei der AWO.
„Stellen Sie sich vor, der Arzt verordnet einem älteren Patienten Leistungen der häuslichen Krankenpflege wie Tablettengabe, Insulinverabreichung und Blutzuckermessung, die anschließend von einer Pflegefachkraft ausgeführt wird“, schildert AWO-Geschäftsführer Axel Mielke (Foto, l.) eine typische Situation der ambulanten Pflege im Gespräch mit der hauspost. „Was glauben Sie, wie viele Leistungen davon die Krankenkasse bezahlt?“ „Im Moment leider nur eine“, ergänzt Pflegebereichsleiterin Antje Hansen (r.) aufgebracht.
Der Hintergrund der prekären Situation ist, dass die Krankenkassen sich seit 2022 weigern, die von der Politik geforderten und von den sozialen Trägern umgesetzten Tariferhöhungen für die Beschäftigten mitzutragen. Die gestiegenen Personalkosten sollten eigentlich durch eine höhere Vergütung der Leistungen in der häuslichen Krankenpflege gegenfinanziert werden. Das geschieht nicht, beklagen die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege – der LIGA MV, die seit September 2022 bis März 2023 insgesamt fünf Verhandlungsrunden mit den Krankenkassen austrugen, die zu keiner Einigung führten. Als Reaktion darauf leitete die LIGA ein Schiedsverfahren gegen die Krankenkassen ein, das der LIGA Recht gab. Die Krankenkassen zahlten zumindest für 2023 eine Vergütungsdifferenz an die Pflegedienste aus. Anschließend klagten die Krankenkassen gegen diesen Schiedsspruch, sodass die Situation für dieses Jahr ähnlich unsicher bleibt wie bisher. „Inzwischen mussten bereits einige Pflegedienste in Schwerin aufgeben, da sie durch die unzureichenden Zahlungen der Krankenkassen pleite sind“, berichtet Katrin Poschmann (m.), die Leiterin der Sozialstation der AWO. Die Einrichtung betreut 160 Kunden ambulant, 80 davon in der häuslichen Krankenpflege. „Diese Pflege wird von vier speziell ausgebildeten Fachkräften erledigt, die jetzt schon alles geben.“ Der durch die Krankenkassen geführte Vergütungsstreit ist nicht nur ein juristisches Problem, er sorgt auch für Unsicherheit bei den Patienten. Lotte Hansen (Foto unten) ist eine AWO-Kundin, die im ländlichen Bereich auf die Leistungen der häuslichen Pflege angewiesen ist. Trotz ihres hohen Alters erhebt sie in einer Protestkampagne öffentlich ihre Stimme gegen den Missstand und hofft, wie alle, auf eine Lösung.
maxpress/sho