Keine Qual der Berufswahl

Vier Schüler berichten über ihre Praktikumserfahrungen

Berufsorientierung – der Begriff sagt zum einen so wenig und bedeutet gleichzeitig so viel. Welche verschiedenen Möglichkeiten Schulen heute bieten, um jungen Leuten beim beruflichen Werdegang unter die Arme zu greifen, davon berichten vier Schüler.
Maja hat durch das Praktikum herausgefunden, was sie nicht möchte, Foto: maxpress

Schwerin • „Ich verbinde mit dem Begriff Möglichkeiten, seine Fähigkeiten herauszukristallisieren“, sagt die 14-jährige Maja (Foto, o.). Für Tino (u.), 15 Jahre wiederum bedeutet der Begriff, verschiedene Berufe kennenzulernen und Praktika zu machen.

Die beiden gehen in die 9. Klasse einer Schweriner Regionalschule. Spätestens nach der 10. Klasse beginnt für sie und die meisten ihrer Mitschüler der berufliche Werdegang. Viel Zeit bleibt also nicht mehr. Maja und Tino wissen zum Glück schon, was sie werden wollen. Bei vielen ihrer Mitschüler sei das noch nicht der Fall. Die Schule bietet deshalb verschiedene Optionen, um in Sachen Berufsorientierung Licht ins Dunkle zu bringen.

In der 8. Klasse haben die Schüler etwa ein einwöchiges Praktikum bei den Bildungswerkstätten gemacht. Jeder durfte in verschiedene Bereiche hineinschnuppern. „Dass sich allein hinter einem Arbeitgeber so viele verschiedene Berufe verbergen, war schon interessant“, erinnert sich Maja. Arbeitsplätze im Sanitätsbereich, in der Gastronomie oder im sozialen Sektor gehören dazu.

Für Tino waren die Werkstätten kein Neuland. Bereits in den Sommerferien hatte er dort ein freiwilliges Praktikum absolviert. „Das Team war sehr nett und vor allem die handwerklichen Aufgaben, insbesondere an den Autos rumzuschrauben, haben mir gut gefallen“, berichtet Tino. Seine Leidenschaft kommt nicht von ungefähr. Schon sein Opa war Kfz-Mechatroniker. Als Kind durfte Tino ihm bei der Arbeit zuschauen und hin und wieder sogar selbst Hand anlegen. „Ich hab einfach schon immer Spaß an Autos gehabt“, sagt er. Kein Wunder also, dass Tino das Praktikum bei den Bildungswerkstätten so gut gefallen hat, dass er nach der 9. Klasse gleich eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker beginnen wird.

Auch Maja weiß durch verschiedene Praktika, was sie machen möchte und, auch wichtig, was nicht. „Ich möchte auf jeden Fall etwas mit Menschen oder Tieren machen – etwas im sozialen Bereich. Den ganzen Tag am Computer zu sitzen, kann ich mir nicht vorstellen.“ Ein freiwilliges Praktikum in einem Kindergarten habe ihr aber bereits gezeigt, dass der Beruf der Erzieherin wohl nichts für sie ist. Ein anderes Mal hat sie in die Arbeit der Bibliothek hineingeschnuppert. „Das war auch sehr interessant.

Noch besser hat mir aber das Praktikum im Altenheim und der liebevolle Umgang bei der Pflege der Senioren gefallen. Mein Plan ist daher jetzt, Ergotherapeutin zu werden“, sagt die 14-jährige Schülerin. Johanna wiederum schließt einen sozialen Beruf für sich aus. Die Elftklässlerin tut sich noch ein wenig schwer damit, sich für eine berufliche Richtung zu entscheiden. „Ich habe einfach viele Interessen und kann mich schnell für Dinge begeistern“, sagt sie.

Die berufsorientierenden Maßnahmen an ihrer Schule findet sie sehr sinnvoll. Berufsorientierung ist sogar ein eigenständiges Fach. Verschiedene Vertreter von Unis, Hochschulen und Unternehmen kommen etwa in den Unterricht und referieren über die unterschiedlichen Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten. Und à la „Elevator Pitch“ lernen die Schüler, wie sie sich innerhalb kürzester Zeit, nämlich eine Aufzug- Fahrt lang, bei zukünftigen Arbeitgebern überzeugend vorstellen. Außerdem hat die Schule einen Besuch der Uni Rostock samt Teilnahme an einer Vorlesung nach Wahl organisiert. Zusätzlich steht in diesem Schuljahr der Besuch mehrerer Infoveranstaltungen und Hochschultage auf dem Plan.

Was für viele ihrer Mitschüler neben dem normalen Unterricht durchaus belastend ist, ist für Johanna kein Grund, nicht auch noch ein Juniorstudium zu belegen. Für ein Semester hat sie schon Neurobiologische Anatomie studiert – hat an Vorlesungen teilgenommen und musste Essays schreiben. Auch ihre Freundin Marie absolviert ein Juniorstudium in Kunst. Die 16-Jährige hat sich sehr bewusst für diese Fachrichtung entschieden. „Ich habe schon einiges ausprobiert. Jura fand ich mal interessant, schreiben kann ich auch ganz gut. Aber immer wieder lande ich gedanklich bei Kunst. Deshalb habe ich mich entschlossen, diesen Weg nun zu gehen und möchte nächstes Jahr Klassisch Bildende Kunst in Dresden studieren“, erzählt Marie. Ihre Bewerbungsunterlagen reicht sie aber bereits dieses Jahr ein. Nächstes Jahr, neben dem Abi, sei ihr das zu stressig. Bei so viel Engagement stehen die Karten für eine Zusage und eine erfolgreiche Karriere doch gut. Toi, toi, toi!

maxpress/ml

Fütr Tino bedeutet das Praktikum, verschiedene Berufe kennenzulernen, Foto: maxpress

Mittel und Wege ohne Schulabschluss

Lankow • Null Bock, kein Schulabschluss, sozialökonomische Probleme, emotionale oder gesundheitliche Handicaps – auch für Jugendliche mit individuellem Förderbedarf gibt es Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Mike Gerwig (Foto) leitet den Bereich „Berufsvorbereitung“ am Regionalen Beruflichen Bildungszentrum Technik in Lankow.

Hier kümmern sich 21 Lehrer und zwei Schulsozialarbeiter um rund 80 Schüler in fünf Klassen. „Wir decken die Berufsvorbereitung für die Stadt Schwerin ab. Bei uns lernen meist 16- bis 18-jährige Jugendliche, die aus verschiedenen Gründen keinen Schulabschluss geschafft oder keinen Ausbildungsplatz gefunden haben“, erklärt Mike Gerwig. Je nach Qualifizierung absolvieren sie ein ein- oder zweijähriges Berufsvorbereitungsjahr, um die sogenannte Berufsreife zu erlangen. Sie erlernen und trainieren berufliche Grundfähigkeiten, bereiten sich gezielt auf eine Ausbildung vor und sammeln durch Praktika Erfahrungen. Je nach Fertigkeiten finden sie ihre Berufung zum Beispiel in den Bereichen Hauswirtschaft, Pflege, Bau, Holz- oder Metalltechnik. „Uns ist wichtig, neben traditionellen Maßnahmen zur Berufsorientierung, also Bewerbungstraining, Messen oder auch Praktika, Schule und Betriebe zukünftig noch weiter zu verzahnen. Daran arbeiten wir in unserer Zukunftswerkstatt und mit vielen engagierten Netzwerkpartnern hier in der Stadt“, erzählt Gerwig.

maxpress/Meike Sump