Von Manila nach Schwerin

Was es bedeutet, in eine völlig andere Kultur und eine andere Sprache einzutauchen, erzählt Nail Wayagwag.

Was es bedeutet, in eine völlig andere Kultur und eine andere Sprache einzutauchen, erzählt Nail Wayagwag.
Nail Wayagwag, Foto: Netzwerk für Menschen

Viele Menschen träumen davon, einfach mal in einem ganz anderen Land oder sogar auf einem anderen Kontinent zu arbeiten. Was es bedeutet, in eine völlig andere Kultur und eine andere Sprache einzutauchen, erzählt Nail Wayagwag (Foto). Im April 2022 ist er von den Philippinen nach Deutschland gekommen und arbeitet seitdem als Pflegefachkraft in Anerkennung im Netzwerk für Menschen.

Schwerin • „Für mich war es immer klar, dass ich im medizinischen Bereich arbeiten werde und auch einmal in meinem Leben ein ganz anderes Land kennenlernen möchte“, fängt Nail Wayagwag an zu erzählen. Geboren und aufgewachsen ist er auf den Philippinen. Er absolvierte ein vierjähriges Studium im Bereich Gesundheitspflege und arbeitete einige Jahre im Gesundheitsamt von Manila. „Aber ich wollte mich auch beruflich weiterentwickeln und spezialisierte mich auf die Pflege von Dialyse- Patienten.“
„Sie glauben gar nicht, wie hoch ausgebildet die internationalen Fachkräfte teilweise sind“, erläutert Sven Hinrichsen aus der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit. „Sie absolvieren in ihren Heimatländern unter anderem mehrjährige Ausbildungen oder Studien. Um aber Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, richten wir uns nach der Empfehlung der WHO, der sogenannten „Fair Migration“, einem international anerkannten Programm.“
Die Arbeitsgemeinschaft Pflegepersonalsicherung setzt sich intensiv mit dem bestehenden Fachkräftemangel insbesondere in der Pflege auseinander. Sie besteht unter anderem aus den Mitarbeitern des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Sport, der Diakonie Nord, der AOK Nordost, der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt und natürlich auch dem Netzwerk für Menschen. Sven Hinrichsen hat in diesem Kreis auch das Programm „Triple Win“ vorgestellt. Die nachhaltige Gewinnung von Pflegekräften aus dem Ausland bedeutet ausschließlich mit den Partnerländern zusammenzuarbeiten, die nicht selbst unter einem Fachkräftemangel leiden. Dazu gehören neben den Philippinen unter anderem auch Tunesien und Indien. Über die Sozialen Medien wurde Nail Wayagwag auf das Programm aufmerksam, das auch einen mehrmonatigen Sprachkurs beinhaltet. „Acht Monate habe ich während der Pandemie auf dem Campus der GigaLingua verbracht und meine Prüfungen in Deutsch der Sprachniveaus A1 bis B1 erfolgreich absolviert.“ Die neue Sprache muss zudem so erlernt werden, dass sie auch berufsbezogen angewendet werden kann. Ferner werden in den jeweiligen Herkunftsländern die Menschen auf die hiesige Kultur vorbereitet. Zu den Inhalten zählen unter anderem die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, das deutsche föderale System einschließlich der Demokratie und dem Grundgesetz. Die Bundesagentur für Arbeit nennt das die Ankommenskultur. Als Bestandteil des Triple Win Programms erleichtert sie den Menschen, mit dem häufig großen kulturellen Wechsel umzugehen. „Oh, meine Kollegen waren alle wirklich sehr hilfsbereit, aber sie wissen fast gar nichts über die Philippinen. Sie können nicht wirklich nachvollziehen, woher ich eigentlich komme“, lacht Nail Wayagwag.
Nicht nur eine gute Ankommenskultur ist wichtig. Umgekehrt ist es ebenso essenziell, die hiesigen Kollegen auf die neuen internationalen Fachkräfte einzustimmen. In Anbetracht der sehr angespannten Situationen in den Einrichtungen aufgrund der fehlenden Fachkräfte ist das ein hoher Anspruch. Aber nur so gelingt es im Sinne eines kollegialen Miteinanders, alle Bedürfnisse und Wünsche miteinander zu vereinen.
Bei der Ankunft in Deutschland hat die Gemeinschaft der Gruppe, mit der Nail Wayagwag in den Vorbereitungskursen gemeinsam gelernt hat, sehr geholfen. Das Netzwerk für Menschen hat zudem eine Integrationsbeauftragte, die sich ausschließlich um die Neuankömmlinge kümmert. Das über das neue Land theoretisch Erlernte erscheint zunächst einfach und umsetzbar, aber die Welt sieht in der Praxis dann doch plötzlich ganz anders aus. So hilft die Integrationsbeauftragte zum Beispiel bei der Einrichtung von Bankkonten. Ferner begleitet sie die neuen Kollegen bei Einkäufen in den verschiedenen Discountern, um die unterschiedlichen und fremden Lebensmittel zu erklären. Auch spielt der Umgang mit der neuen Währung eine große Rolle. Dies alles sind wichtige unterstützende Maßnahmen, um das Ankommen gelingen zu lassen.
„Ich werde auf jeden Fall hier ein paar Jahre bleiben“, sagt Nail Wayagwag „Es ist ein großes Privileg, in Deutschland, mitten in Europa, leben und arbeiten zu können. Trotzdem muss mich noch an vieles gewöhnen. Aber ich habe auch eine evangelische Gemeinde gefunden. Pastor Seyffert hat uns sehr dabei geholfen, einen Raum für unseren sonntäglichen Gottesdienst zu finden. In dieser Gemeinschaft habe ich auch meine sozialen Kontakte geknüpft und kann so auch privat ankommen. Und ganz bestimmt schaffe ich meine Prüfung zur Pflegefachkraft!“

„Seit vielen Jahren setzen wir uns mit verschiedenen Initiativen gegen den akuten Fachkräftemangel in der Pflege ein. 2006 sammelten bei uns erstmals Praktikanten aus Argentinien Erfahrungen als Pflegekraft. Seit 2018 beschäftigen wir medizinische Fachkräfte aus Brasilien und den Philippinen erfolgreich im Netzwerk für Menschen.” • Frank-Holger Blümel, Vorstandsvorsitzender Netzwerk für Menschen

NfM/Annette Markert