Neue Nutzungsperspektive für Teile des Speicher-Ensembles
Stadt will zentralen Archivstandort in der Röntgenstraße 22 errichten
Schelfstadt • Von der Brauerei bis zum Kammerkino des Landesfilmzentrums - der seit Jahren ungenutzte Teil des Speicher-Ensembles in der Röntgenstraße 22 hatte schon die unterschiedlichsten Verwendungen. Doch seit vielen Jahren steht das Gebäude leer. Nun soll es der zentrale Archivstandort der Landeshauptstadt werden.
Die Archivgüter der Landeshauptstadt sind derzeit an unterschiedlichen Standorten in Schwerin untergebracht. Die Zentralisierung ist schon beschlossene Sache. Jetzt schlägt die Verwaltung dafür einen neuen Standtort vor: Statt in der Werkstraße 108 im Gewerbegebiet Schwerin-Süd möchte das Zentrale Gebäudemanagement mit Städtebaufördermitteln die leerstehenden Gebäude des Speicher-Ensembles einschließlich des vorgelagerten Fachwerkhauses sanieren. Zurzeit wird der Vorschlag in den Ausschüssen der Stadtvertretung diskutiert. „Ich unterstütze nicht nur die Idee der Zentralisierung, sondern den alternativen Standort“, sagt Oberbürgermeister Rico Badenschier. „Wir sind unserem Erbe verpflichtet, das schließt das Stadtarchiv als das Gedächtnis unserer Stadt mit ein. Der Speicher-Standort wäre ein Archivstandort mit Zukunft und auch mit räumlicher Nähe zum geplanten Stadtgeschichtsmuseum.“
Doch warum erst im Gewerbegebiet und jetzt in der Altstadt? „Durch den anstehenden Neubau des Beruflichen Schulzentrums Gesundheit und Soziales in Neu Zippendorf steht das bisher vorgesehene Gebäude in der Werkstraße erst mit der Fertigstellung als mögliches kommunales Gebäude für die Nutzung als Zentralarchiv zur Verfügung“, sagt Kristian Meier-Hedrich, Werkleiter des Zentralen Gebäudemanagements (ZGM). „Die Archivnutzung wäre dort nicht vor 2030 realisierbar, während die Leerstands-Gebäude im Speicher-Ensemble sehr zeitnah in Angriff genommen werden können und müssen, auch um sie vor weiterem Verfall zu bewahren“, so der ZGM-Chef.
Finanzmittel für die Herrichtung des Zentraldepots sind im Haushalt 2023/2024 bereits veranschlagt. Sie könnten zügig verwendet werden, wenn die Stadtvertretung dem neuen Standort mit einem entsprechenden Grundsatzbeschluss zustimmt. Außerdem können für das denkmalgeschützte Ensemble in der Schelfstadt Städtebaufördermittel zum Einsatz kommen, was die Stadt finanziell entlasten würde.
Kulturbüro, ZGM und Kämmerei haben es bereits durchgerechnet: „Mit rund 10 Millionen Euro ließe sich ein langjähriger städtebaulicher Missstand am historischen Schelfmarkt beseitigen, die zentrale Lagerung des Archivguts an einem besucherfreundlichen Standort in der Innenstadt sicherstellen, die denkmalgeschützten Gebäude durch eine geeignete Nutzung retten und ein wunderbarer Abschlusspunkt der innerstädtischen Kulturmeile realisieren“, zählt Kultur- und Finanzdezernent Silvio Horn die Vorteile auf.
Grundsätzliche denkmalrechtliche Bedenken bestehen nicht: Dass sich wenige Fenster in den Räumlichkeiten des leerstehenden Speicher-Gebäudes befinden, war für andere potenzielle Nutzungsmöglichkeiten immer von Nachteil. Für Archivgüter ist fehlendes Sonnenlicht dagegen ein Vorteil. Auf bis zu 5 Kilometer Länge summiert sich das Papiergut – Akten, Pläne, Karten -, das hier zentral archiviert werden muss. Durch den Einsatz moderner Rollregale wäre dies in dem Archiv-Speicher mit 2200 m² Nutzungsfläche nach einer statischen Ertüchtigung platzsparend möglich. Sogar mit Reserveflächen für weitere drei Kilometer Archivgut.
Im Vorderhaus, das an den Schelfmarkt grenzt, könnte der Lesesaal und die Verwaltung untergebracht werden, dadurch die Innenhofsituation wiederhergestellt werden. Erste sichtbare Baumaßnahmen beginnen schon im kommenden Frühjahr aus Sicherungsgründen, so der ZGM-Werkleiter. Das Dach des Speichergebäudes muss auf jeden Fall abgedichtet und erneuert werden, der angebaute Lastenaufzug soll abgerissen werden. Kristian Meier-Hedrich rechnet für das Zentralarchiv mit zwei Jahren Planungszeit und zwei Jahren Bauzeit. Dann könnte das neue Zentralarchiv schon 2028 einzugsbereit sein, so die optimistische Prognose.
Hintergrund: Geschichtliches zum Speicher-Ensemble:
· 1846: Gründung der Brauerei Strauß, das Fachwerkhaus ist bereits vorhanden und scheint bereits vor 1740 existiert zu haben
· 1881: Errichtung des Eishauses
· 1884: Errichtung einer Bierhalle mit elektrischem Licht (20 Jahre bevor das E-Werk gebaut wurde)
· 1897: Änderung des Geschäftsnamens: Brauhaus Hofmann & Stürzel, später Städtisches Brauhaus, Besitzer Otto Never (gest. 1909)
· 1914: vorübergehende Einstellung der Produktion (1. Weltkrieg)
· 1920: Wiederaufnahme des Betriebes, nunmehr nur noch Flaschenabfüllung - wenig später Einstellung des Betriebes
· 1920er Jahre: Entstehung eines „Gewerbehofes“. Pianofabrik R. Matz und Zigarettenfabrik „Haus Schwerin“ nutzen das Gebäude
· 1932: Im ehemaligen Brauhaus befindet sich die Modelltischlerei des Fokkerwerkes. Ludwig Bölkow war als Praktikant am Bau der „Jung Mecklenburg“ beteiligt. Zur Taufe der Flugzeuge auf dem Alten Garten verfasste Rudolf Tarnow ein Gedicht.
· Zwischenzeitlich wurde das Gebäude auch als Frauengefängnis und Sektfabrik genutzt.
· bis 1990 Lager der Großhandelsgesellschaft-Technik
· 1996 wurde das soziokulturelle Zentrum DER SPEICHER als Einrichtung der Landeshauptstadt Schwerin eröffnet.
Auf einer Veranstaltungsfläche von insgesamt 400 Quadratmetern bietet der SPEICHER ein vielfältiges Veranstaltungsangebot. Seit 2005 gehört er im Verbund mit den weiteren kommunalen Kultureinrichtungen zum Kulturbüro der Landeshauptstadt.
Pressestelle LHS