Internationales Festival „Verfemte Musik 2023“ startet am 12. Oktober in Schwerin
Konzerte, Filme und Musiksymposium zu Ehren von Nazis verfolgter und ermorderter Musiker
Schwerin • Das Internationale Festival Verfemte Musik ist seit Jahren ein fester Bestandteil in der Kulturszene der Landeshauptstadt Schwerin. Konzerte, Ausstellungen, Symposien, Wettbewerbe und Meisterkurse erinnern an verbotene, verfolgte und ermordete Musiker:innen der NS-Zeit. Nicht allein die Uraufführungen wiederentdeckter Werke machen dieses Festival international einzigartig, sondern auch der pädagogische Schwerpunkt.
Das diesjährige Festival findet vom 12. Oktober bis zum 24. November in Schwerin statt. Während des Festivals eröffnen fünf spannende Konzerte dem Publikum neue Höreindrücke. Das Rahmenprogramm lädt zum Austausch ein. Volker Ahmels, Intendant des Festivals Verfemte Musik und Direktor des Konservatorium Schwerin: „Ich freue mich sehr in diesem Jahr wieder wunderbare Künstler:innen in Schwerin begrüßen zu dürfen. Im Rahmen des Festivals bringen wir junge Menschen, inspirierende Persönlichkeiten, Geschichten und Geschichte zusammen und schaffen eine Bühne für Künstler:innen, denen die Aufmerksamkeit lange verwehrt wurde.”
Konzerte
Im Eröffnungskonzert am Freitag, den 13. Oktober um 19.30 Uhr, spielen die beiden Preisträger-Duos des Interpretationswettbewerbs 2022: Philipp Thönes (Klavier) und Ruben Mirzoian (Klarinette) sowie die Brüder Arkadiusz und Sebastian Godzinski (Klavierduo). Die beiden Duos teilten sich den ersten Preis.
Der Interpretationswettbewerb ist Herzstück des Schweriner Festivals Verfemte Musik und findet alle zwei Jahre statt, das nächste Mal 2024. Besonderes Anliegen des Wettbewerbs ist es, junge Musiker:innen dazu zu motivieren, Werke einzustudieren und aufzuführen, die aufgrund der Verfolgung in Vergessenheit geraten sind. Auf dem Programm des Eröffnungskonzerts stehen unter anderem Stücke von Paul Hindemith, Ignacy Jan Paderewski und Joseph Horovitz.
Am Samstag, den 14. Oktober um 19.30 Uhr, gastieren erstmals gemeinsam die international renommierten Künstler:innen Joanna und Simon Wallfisch unter Begleitung von Yuko Ellinger. Auf dem Programm stehen Lieder von Irving Berlin, Kurt Weill und Hanns Eisler - Komponisten, die während des Nationalsozialismus verfemt wurden. Sie alle emigrierten nach Amerika. Joanna und Simon Wallfisch sind die Enkel der Holocaust-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch. Die Familie ist seit Jahren eng mit dem Festival Verfemte Musik verbunden.
Beim Orchesterkonzert am Donnerstag, den 9. November, um 19.30 Uhr spielt der aufstrebende Saxophonist Alexander Prill. Prill stammt aus Schwerin und erhielt seine musikalische Ausbildung zunächst an der Musik- und Kunstschule Ataraxia und als Jungstudent an der Hochschule für Musik- und Theater Rostock, derzeit studiert er in Basel. Im vergangenen Jahr erspielte er sich den ersten Preis in der Kategorie Solokonzert im Interpretationswettbewerb Verfemte Musik. Nun kehrt er als Preisträger zurück und konzertiert als Solist gemeinsam mit der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin unter der Leitung von Peter Sommerer im Mecklenburgischen Staatstheater. Gemeinsam spielen sie die Ballade für Saxophon und Orchester von Frank Martin. Darüber hinaus stehen das Intermezzo und Scherzo für Streichorchester von Franz Schreker und Felix Mendelssohn-Bartholdys Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 11 auf dem Programm.
Das Abschlusskonzert mit dem Titel „Vertanzt – Verfemt – Vergessen" wird von der Schauspielerin Fritzi Haberland und dem Pianisten Gottlieb Wallisch gestaltet und findet am Freitag, den 24. November, um 19.30 Uhr statt. Tanzmusik für Klavier solo steht im Dialog mit rezitiertem Wort. Fritzi Haberlandt ist Schauspielerin sowie Hörspiel- und Hörbuchsprecherin. Sie ist sowohl auf deutschen Bühnen als auch in diversen Fernseh- und Kinoproduktionen zu sehen, beispielsweise in der Serie „Babylon Berlin”. Fritzi Haberlandt gewann zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Bayerischen Filmpreis und den Deutschen Filmpreis. Der Pianist Gottlieb Wallisch konzertierte bereits mit vielen bedeutenden Orchestern, darunter die Wiener Philharmoniker, BBC Symphony Orchestra und die Festival Strings Lucerne. Wallisch ist Professor an der Universität der Künste Berlin (UdK) und unterrichtete an der Universität für Musik Genf und der Franz Liszt Akademie in Budapest.
Pädagogische Arbeit
Bereits vor Start der Konzerte findet ein Schulprojekt am Fridericianum Schwerin statt. 16 Schüler:innen des Leistungskurses Deutsch der 12. Klasse gestalten eine szenische Lesung mit dem Titel „Spuren der Geschichte in und um Schwerin“. Die Veranstaltung wird musikalisch umrahmt. Gemeinsam zeichnen die Jugendlichen persönliche Schicksale des Todesmarsches nach. Zwei Schüler werden Sätze aus einem Werk des Komponisten Janusz Kahl spielen. Als Jugendlicher wurde dieser erst in das Warschauer Ghetto und von dort in das KZ-Neuengamme verschleppt. Auf dem Todesmarsch kam er im Lager Wöbbelin an, wo er schließlich von amerikanischen Truppen befreit wurde. Die Veranstaltung ist nicht öffentlich.
Ein Schwerpunkt des Festivals Verfemte Musik sind die alle zwei Jahre stattfindenden Meisterkurse. Jungen Musiker:innen erhalten die Möglichkeit, mit professionellen Dozent:innen verfemte Musik kennenzulernen und einzustudieren, um eventuell im nächsten Jahr am Interpretationswettbewerb teilzunehmen. Die Unterrichtsstunden sind nicht öffentlich. Die Teilnehmenden präsentieren ihre Ergebnisse aber in einer Matinée am Sonntag, den 15. Oktober, um 11 Uhr.
Weitere Veranstaltungen
In Kooperation mit der Reihe „Kino unterm Dach” zeigt das Festival den Dokumentarfilm „Die Ecke“ am Donnerstag, den 12. Oktober. Die Produktion lädt zu einer Tatort-Begegnung ein. Der Tatort ist in einem thüringischen Dorf. Dort, an einer Straßenecke, starb in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ein junger amerikanischer Soldat. Sein Foto wurde als Titelbild der New York Times bekannt. Jahrzehnte später ging das Foto viral, als es jemand kolorierte und im Internet einer heutigen Aufnahme der Straßenecke gegenüberstellte. Der Film folgt den Erinnerungen der Anwohner:innen der Straßenecke und denen der Angehörigen des toten Soldaten. Der Film ist eine Montage, in der dokumentarische Aufnahmen, digitale Animationen und Archivmaterial miteinander verwoben werden. Die Regisseurin des Films, Christa Pfafferott, wird bei der Veranstaltung anwesend sein. Nach der Vorführung ist Raum für Fragen und Diskussionen.
Unter dem Motto „Musik ist Musik. Ob sie für die Bühne, das Dirigentenpult oder für’s Kino ist.“ (Erich Wolfgang Korngold, 1946) zeigen acht internationale Musikwissenschaftler:innen eine wissenschaftliche Perspektive. Die Veranstaltung wird von einem Impulsvortrag eröffnet. Es folgen jeweils halbstündige Vorträge mit anschließender Fragerunde. Das Symposium schließt mit einer Debatte, an dem neben den Expert:innen auch Studierende der Hochschule für Musik und Theater Rostock teilnehmen. Die Veranstaltung ist kostenfrei, um Anmeldung auf der Website wird gebeten.
Infos zum gesamten Programm und dem Ticketverkauf gibt es auf www.verfemtemusik.de.
Jeunesses Musicales Deutschland, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V./Marie Leithold