Florentina Holzinger inszeniert in Schwerin zum ersten Mal Oper

Premiere von „Sancta Susanna“ am Mecklenburgischen Staatsteater ist am 30. Mai 2024

Die österreichische Choreografin Florentina Holzinger präsentiert in Schwerin erstmals eine Oper, Foto: Elsa Okasaki
Die österreichische Choreografin Florentina Holzinger präsentiert in Schwerin erstmals eine Oper, Foto: Elsa Okasaki

Schwerin • Die Choreografin und Performancekünstlerin Florentina Holzinger entwickelt zusammen mit dem Mecklenburgischen Staatstheater, der Staatsoper Stuttgart, den Wiener Festwochen sowie der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin ihre erste Oper: „Sancta“ (Arbeitstitel) verbindet Paul Hindemiths Einakter „Sancta Susanna“ mit Neukompositionen von Johanna Doderer, Produzent*in und Musiker*in Born in Flamez sowie Soundkünstler Stefan Schneider und geistlichen Werken zu einer feministischen Messe.

Die musikalische Leitung übernimmt die Dirigentin Marit Strindlund. Das Werk kommt am 30. Mai 2024 am Mecklenburgischen Staatstheater zur Uraufführung, und feiert anschließend im Juni 2024 bei den Wiener Festwochen und im Oktober 2024 an der Staatsoper Stuttgart Premiere. Die Produktion wird durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert.

Florentina Holzinger gilt aktuell als eine der aufregendsten Theatermacherinnen und ist bekannt für ihre radikalen wie spektakuläre Performances, die alle Grenzen sprengen. Für ihre Produktion „Ophelia’s Got Talent“ an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin ist sie in zahlreichen Kritiker:innen-Umfragen ausgezeichnet worden, unter anderem in der Zeitschrift Theater heute als „Theaterregisseurin des Jahres” und von der Zeitschrift TANZ für die beste Inszenierung des Jahres. Erstmals entwickelt sie nun eine Oper, bei der sie und ihre Performerinnen* gemeinsam mit Gesangssolistinnen, Sängerinnen des Chores und Orchester auf der Bühne stehen.

Ausgehend von Paul Hindemiths Skandalstück „Sancta Susanna“ – das die weibliche Libido ins Zentrum der Handlung stellt – entsteht so eine szenische Messe, die sich mit christlichen Riten ebenso wie mit Wunder und Magie auseinandersetzt und die Emanzipation weiblichen Begehrens als Befreiung feiert. Musikalisch wird der Abend mit geistlicher Musik, unter anderem von Johann Sebastian Bach, Sergej Rachmaninow und Charles Gounod ergänzt. Die österreichische Komponistin Johanna Doderer wird alle musikalischen Teile der Messe für Frauenstimmen arrangieren und ein Agnus Dei sowie ein Sanctus als Neukompositionen ergänzen.

Für Florentina Holzinger ist die Erarbeitung einer Opernproduktion eine konsequente Fortführung ihres künstlerischen Schaffens: „Meine Shows haben viel mit der Oper gemeinsam. Verschiedene Kunstformen wie Tanz, Musik, Schauspiel und Performance treffen aufeinander und verbinden sich zu einem Gesamtkunstwerk. ‚Sancta‘ ist spannend, weil wir die konkrete Komposition, die durch Sängerinnen*, Chor und Orchester auf der Bühne erlebbar wird, um zusätzlich Instrumente, nämlich unseren performativen Zugriff auf Körper, erweitern.“

Die Produktion wird erst möglich durch ein breites Produktionsbündnis aus Florentina Holzinger/Spirit, neon lobster, dem Mecklenburgischen Staatstheater und der Staatsoper Stuttgart in Koproduktion mit den Wiener Festwochen und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin. Die jeweiligen künstlerischen Leitungen freuen sich über die gemeinschaftliche Produktionspraxis, vor allem weil das Bündnis Stadt- und Staatstheater mit Freien Produzent:innen und Festivals über Genregrenzen hinweg miteinander verbindet.

Der Generalintendant des Mecklenburgischen Staatstheaters, Hans-Georg Wegner, ist besonders stolz über die Schweriner Premiere: „Wenn das Wort ‚spektakulär‘ auf ein Theaterereignis passt, dann auf diese Produktion mit Florentina Holzinger und der Staatsoper Stuttgart mit Premiere in Schwerin. Und wir fahren wieder nach Wien: Das Mecklenburgische Staatstheater war 1985 schon einmal bei den Wiener Festwochen – mit Christoph Schroths ‚Antike-Entdeckungen‘. Jetzt sind wir stolz, mit Florentina Holzinger die spannende Theatergeschichte dieses Hauses weiterschreiben zu können!“.

Viktor Schoner, Intendant der Staatsoper Stuttgart, wird die Produktion ab Oktober 2024 an seinem Haus zeigen: „Hindemiths ‚Sancta Susanna‘ sollte ursprünglich 1922 in Stuttgart uraufgeführt werden, wurde aber letztendlich vom konservativen Zeitgeist gecancelt. Ich freue mich, dass die Oper im Rahmen dieses aufregenden Projekts endlich nach Stuttgart kommt und nach unserer Premiere am 5. Oktober 2024 auch ins Repertoire übergeht. Als ganz besonders empfinde ich vor allem das breite Kooperationsbündnis, das uns allen erst ermöglicht hat, auf Florentina Holzingers Produktionsweise einzugehen. Wir freuen uns mit so vielen Partnern zusammen zu arbeiten und eine Verbindung zwischen den Regionen und sogar über die Landesgrenzen hinaus geschaffen zu haben.“

Im Sommer 2024 wird „Sancta“ bei den Wiener Festwochen zu sehen sein, die das Stück der österreichischen Künstlerin koproduzieren. Der neue Intendant Milo Rau ist Florentina Holzinger ebenfalls lange verbunden: „Ich verfolge Florentinas Arbeit seit vielen Jahren. Ihre Klarheit und Radikalität, aber auch die absolute Freiheit, mit der sie feministische und insgesamt politische Positionen bezieht, passt perfekt zu den Wiener Festwochen. Als produzierendes Festival sind wir superstolz, bei der Entstehung von ‚Sancta‘ beteiligt zu sein und mit ihr die Premiere in Florentinas Heimatstadt Wien zu feiern.“

Auch die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ist Koproduktionspartner. Intendant René Pollesch arbeitet schon länger mit Holzinger zusammen: „Wir sind sehr stolz auf die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dieser kompromisslosen Künstlerin, deren Inszenierungen unser Repertoire konsequent inhaltlich und formal beflügeln. Mit ‚Ophelia’s Got Talent‘ hat Florentina Holzinger uns und unserem Publikum nicht nur für einen Moment den Atem genommen. Wir freuen uns auf die Kooperation und erwarten mit Spannung und Vorfreude dieses außergewöhnliche Opernprojekt.“

Florentina Holzinger ist eine österreichische Choreografin, Regisseurin und Performancekünstlerin. Sie studierte Choreografie an der School for New Dance Development (SNDO) an der Amsterdamse Hogeschool voor de Kunsten. Ihre Diplom-Soloarbeit „Silk“ wurde beim Festival ImPulsTanz 2012 mit dem Prix Jardin d’Europe ausgezeichnet. Ihr 2015 uraufgeführtes zweites Solowerk „Recovery“ ist eine experimentelle Betrachtung eines traumatischen Bühnenunfalls, den sie erlitten hatte, und setzt sich kritisch mit verschiedenen Arten weiblich gelesener Repräsentation sowie mit dem vollen Potenzial von Körperlichkeit auseinander.

In ihren jüngsten Arbeiten hat sie die Narrative des Balletts weiter seziert: zunächst mit „Apollon“ (2017), einer Auseinandersetzung mit George Balanchines’ „Apollon musagète“ aus den 1920er-Jahren, gefolgt von „TANZ“, einem Aktionsballett, das über Tradition und Erzählung, ausgehend vom romantischen Ballett „La Sylphide“, reflektiert. 2020 präsentierte sie an den Münchner Kammerspielen erstmals das Werk „Étude for an Emergency“, eine musikalische Komposition für zehn Körper und ein Auto. Im selben Jahr wurde „TANZ“ von Theater heute als „Beste Aufführung des Jahres“ und mit dem NESTROY-Preis für die Beste Regie ausgezeichnet sowie zum Theatertreffen eingeladen.

2021 kreierte Holzinger für die Ruhrtriennale das groß angelegte Stück „A Divine Comedy“. Für ihre Performance in diesem Stück wurde die Künstlerin Beatrice „Trixie” Cordua mit dem Deutschen Theaterpreis DER FAUST ausgezeichnet. Holzingers jüngste Kreation, „Ophelia’s Got Talent“ (2022), entstanden an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin, wurde zum Theatertreffen 2023 eingeladen. Außerdem wurde sie 2023 unter anderem als Beste Regisseurin (Theater heute) und für die beste Produktion („Orphelia’s Got Talent“) ausgezeichnet.

Produktionsteam
Regie, Choreografie und Performance: Florentina Holzinger
Musikalische Leitung: Marit Strindlund
Komposition und Arrangement: Johanna Doderer
Komposition und Live-Musik: Born in Flamez, Stefan Schneider
Bühne und Kostüm: Nikola Knežević
Dramaturgie: Renée Copraij, Judith Lebiez, Sarah Ostertag, Philipp Amelungsen, Miron Hakenbeck, Felix Ritter

Performerinnen*: Florentina Holzinger, Renée Copraij, Xana Novais, Annina Machaz, Netti Nyganen, Sophie Duncan, Fibi Eyewalker, Luz de Luna Duran, Born in Flamez, und andere

Besetzung Schwerin: Andrea Baker (Klementia), Emma Rothmann (Alte Nonne), Cornelia Zink (Susanna) sowie Damen des Opernchores des Mecklenburgischen Staatstheaters und Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin

Termine in Schwerin:
30. Mai bis 2. Juni 2024 Premiere und Aufführungen
Mecklenburgisches Staatstheater, Schwerin
Vorverkaufsstart: 20. September

Kartentelefon Schwerin: (0385) 53 00-123
kasse@mecklenburgisches-staatstheater.de
www.mecklenburgisches-staatstheater.de

Mecklenburgisches Staatstheater/Franziska Pergande