Ukrainisches Kinderbetreuungsprojekt in der Schweriner Weststadt

Ukrainischsprachige Pädagoginnen betreuen etwa 60 Kinder in ihrer Muttersprache

Anke Preuß, Sabine Enseleit, Lisa-Marie Brahm (v.l.n.r.) besuchten Projekt „KibU – Kinderbetreuung auf Ukrainisch“ in der ehemaligen John-Brinckman-Schule, Foto: Gerd Güll
Anke Preuß, Sabine Enseleit, Lisa-Marie Brahm (v.l.n.r.) besuchten das Projekt „KibU – Kinderbetreuung auf Ukrainisch“ in der ehemaligen John-Brinckman-Schule, Foto: Gerd Güll

Schwerin • Ein Vorzeigeprojekt der Integration von Geflüchteten entwickelt sich aktuell in der Schweriner Weststadt. Ukrainischsprachige Pädagoginnen betreuen etwa 60 ukrainische Kinder in ihrer Muttersprache. Ende September waren die FDP-Landtagsabgeordnete Sabine Enseleit und der FDP-Stadtvertreter Gerd Güll in der Einrichtung zu Gast.

„KibU – Kinderbetreuung auf Ukrainisch“ steht auf einem kleinen Schild an der grünen Eingangstür der ehemaligen John-Brinckman-Schule. Im Gebäude führt eine improvisierte Holztür in die erste Etage, wo Lisa-Marie Brahm, die Leiterin der „KibU“ und Erzieherin Alla Krasmer den Besuch bereits erwarten. Die Pädagogin aus Moldawien lebt schon seit einigen Jahren in Schwerin und spricht sowohl Deutsch als auch Russisch und Ukrainisch. Sie ist die Vermittlerin zwischen den Sprachen und Betreuungskonzepten. Auf den Fluren wird es unterdessen ruhiger, die ersten Kinder werden von ihren Müttern schon am frühen Nachmittag abgeholt.

Dass es sich bei der „Kinderbetreuung auf Ukrainisch“ (KibU) um ein Projekt handelt, macht Anke Preuß, die Geschäftsführerin der Kita gGmbH, gleich zu Beginn des Gesprächs deutlich. Denn die Ukrainerinnen sind zwar ausgebildete Pädagoginnen, aber ihre Diplome in Deutschland noch nicht anerkannt. Daher dürfen die Frauen nicht in Kindertagesstätten arbeiten und die „KibU“ auch keine Ganztagsbetreuung anbieten. „Es ist ein Betreuungsprojekt von 9 bis 15 Uhr.“ Etwa 300 ukrainische Kinder im Kita-Alter leben aktuell in Schwerin. Entsprechend begehrt waren auch die 60 Plätze. Denn 90 Prozent der Eltern belegen Deutschkurse und können die Kleinen nicht rund um die Uhr betreuen. Dazu kommen Behördengänge. Alla Krasmer und ihre elf Kolleginnen schaffen dafür die Entlastung. Die ukrainischen Pädagoginnen selbst sind auf geringfügiger Basis für 15 bis 20 Stunden in der Woche beschäftigt, um ebenfalls Deutschkurse besuchen zu können. Denn sollten sie mittelfristig nicht in ihre Heimat zurückkehren können, würde sie die Kita gGmbH nach der Anerkennung ihrer Diplome gerne als Erzieherinnen übernehmen.

Eine Integrationsbrücke soll die KibU aber auch für die Kinder sein, die möglichst schnell in eine reguläre Kita aufgenommen werden sollen. Eine bevorzugte Behandlung bei der Platzverteilung gibt es allerdings nicht. Doch die ersten ukrainischen Kinder haben schon im August einen freien Platz bekommen, freut sich Lisa-Marie Brahm. Dass es in Schwerin nach dem Ende des einjährigen Betreuungsprojektes eine ukrainischsprachige Kindertagesstätte geben wird, schließt Anke Preuß unterdessen aus. „Das ist nicht unser Verständnis von Integration.“

Wo liegen die größten Unterschiede in der pädagogischen Arbeit, möchte die FDP-Landtagsabgeordnete Sabine Enseleit wissen. In den Kindertagesstätten der Kita gGmbH bestimmt die offene Arbeit den Kita-Alltag, erklärt Anke Preuß. Es ist ein inklusives und partizipatives Konzept, das den Kindern viele Gestaltungs- und Bewegungsmöglichkeiten anbietet. Und anders als oft angenommen, setzt gerade die offene Arbeit eine intensive Vorbereitung und Strukturierung des pädagogischen Angebots voraus, fügt Lisa-Marie Brahm hinzu. „Die Kinder sollen spielerisch die Regeln lernen, die sie selbst aufgestellt haben.“
Die pädagogische Arbeit in der Ukraine orientiert sich hingegen sehr am geschlossenen Konzept mit festen Gruppen und Tagesablauf, stellt Alla Krasmer heraus. Daher standen für Lisa-Marie Brahm und die ukrainischen Pädagoginnen in der ersten Woche auch das gegenseitige Kennenlernen sowie das Abstecken der unterschiedlichen Erwartungen aneinander im Vordergrund. Nach zwei Monaten kann die KibU-Leiterin konstatieren: „Die ukrainischen Pädagoginnen mussten sich zwar umgewöhnen, haben das Konzept aber gut angenommen, und die Kinder freuen sich einfach über die neuen Möglichkeiten.“

Getragen wird die „Kinderbetreuung auf Ukrainisch“ vom Deutschen Kinderschutzbund, die Kita gGmbH ist mit Lisa-Marie Brahm für die Betriebsführung zuständig. Der FDP-Stadtvertreter Gerd Güll ist entsandtes Mitglied in den Aufsichtsrat der Kita gGmbH und freut sich über das gelungene Zusammenspiel aller Akteure: Kinderschutzbund, Kita gGmbH, Stadtverwaltung, Arbeitsagentur, Zentrales Gebäudemanagement und dem deutsch-ukrainischen Kulturzentrum SIČ e. V. „Es ist ein guter Start, die Menschen an die Hand zu nehmen und in die Gesellschaft einzubinden. Integration zum Nutzen von allen.“
Auf etwa 530.000 Euro schätzt die Landeshauptstadt Schwerin die Gesamtkosten, geht aber von einer Refinanzierung über das Flüchtlingsaufnahmegesetz aus. Das Ministerium für Bildung und Kindertagesstätten lehnt eine Unterstützung bisher mit dem Verweis ab, dass es sich bei der „KibU“ um keine reguläre Kindertagesstätte handelt. Wohl wissend, dass die Ukrainerinnen bis zur Anerkennung ihrer Diplome nicht in einer solchen regulären Kindertagesstätte arbeiten dürfen. Für Sabine Enseleit, die Landtagsabgeordnete der FDP, die auch im Ausschuss für Bildung und Kindertagesförderung sitzt, ein Unding. „Die Kinderbetreuung auf Ukrainisch ist ein sehr gutes Vorbild für das Zusammenspiel verschiedenster Akteure, die Willkommenskultur in unserem Land sowie die Integration der Menschen in Gesellschaft und Arbeitsmarkt. Die Landesregierung sollte dieses breite Engagement unterstützen.“

Michael Mundt