Die fliegende Lok von Gadebusch
Engagierter Unternehmer liebt schwere Technik mit Geschichte
Gadebusch • Seit einem Vierteljahrhundert schlägt das Herz von Holger Hempel für Bürotechnik. Er verkauft und repariert Faxgeräte und Kopierer und kümmert sich rund um die Uhr um seinen riesigen Kundenstamm in Norddeutschland. Dieser wuchs über die Jahre stetig an, wie das Interesse des Unternehmers für historische Technik.
Wer den Firmensitz in der Gadebuscher Industriestraße betritt, wird schon beeindruckt durch den Blick auf eine Wand aus alten Radiogeräten, die Holger Hempel über die Jahre gesammelt hat. Doch die Idee, Technikgeschichte anfassbar und erlebbar zu machen, breitete sich auch außerhalb der Geschäftsräume aus. Nachdem er das alte Bahnhofsgebäude in Gadebusch gekauft hatte, war für Holger Hempel klar, dass das Haus in neuem Glanz erstrahlen und neben dem Restaurant „Station Burgsee“ auch den Charme der Deutschen Reichsbahn im Umfeld behalten müsse.
So hat Hempel beim Lokschuppen-Verein- Pasewalk den Salonschlafwagen des Regierungszuges der DDR gefunden. Ein exklusiver Waggon, der hauptsächlich von DDR-Politikgrößen wie Staats- und Parteichef Erich Honecker oder Spitzensportlern für Reisen ins Ausland genutzt worden war. Sofort hat sich Hempel sich in den 58 Tonnen schweren „Honi- Schlafwagen“ verliebt und organisierte eine abenteuerliche Überführung über Straße und Schiene von Pasewalk bis ins mecklenburgische Gadebusch. Nach aufwendiger Sanierung steht das Stück DDR-Regierungsgeschichte in originalgetreuer Farbgebung und Ausstattung auf einem speziellen Gleis und verfügt über sechs Doppel-Schlafabteile, WC und eine Gemeinschaftsdusche.
Das Beste: Heute muss niemand mehr prominent oder Regierungsmitglied sein, um hier zu übernachten. Mit ein paar Mausklicks über die Webseite des Besitzers lässt sich das Schlafabteil in geschichtsträchtiger Umgebung buchen. „Irgendwann fand ich, dass der Salonschlafwagen eine passende Lokomotive haben müsse“, sagt Holger Hempel und ging auf die Suche im Internet. Hier fand er einen Schrotthändler in Stendal, der alte Lokomotiven demontiert.
Der besaß die in der DDR bekannte Diesellok V-180, die auch Zigarre genannt wird und war dabei, das fast 80 Tonnen schwere Fahrzeug auszuschlachten. Per Handschlag wurde das Geschäft besiegelt und die V-180 reiste auf der Schiene vom Schrottplatz Stendal ins Rampenlicht der Station Burgsee nach Gadebusch – gezogen von einer anderen Lok. Dort angekommen ging es für die alte Diesellok in die Luft: Zwei Schwerlastkräne einer Schweriner Firma ließen die ,Zigarre‘ schweben und setzten das Schienenfahrzeug in einem spektakulären Manöver millimetergenau vor den Salonschlafwagen. Danach wurde die Lok aufwendig renoviert, lackiert und geputzt und kann jetzt bei Führungen bestaunt werden (Foto unten).
maxpress/Steffen Holz